Das Landgericht Stuttgart hat die Schadensersatzklage zweier großer Kaufhausketten gegen das Land Baden-Württemberg abgewiesen. Die Muttergesellschaft der Handelsunternehmen hatte für coronabedingte Geschäftsschließungen während der Lockdowns im Frühjahr 2020 und Winter 2020/2021 über 32 Millionen Euro geltend gemacht (Az. 7 O 224/23). Die 7. Zivilkammer sieht jedoch keine Grundlage für einen Entschädigungsanspruch.
Klageziel: Entschädigung für Lockdown-Verluste
Die Klägerin forderte Schadensersatz für ausgefallene Gewinne während der beiden staatlich angeordneten Lockdown-Phasen. Sie argumentierte, die Schließungen seien unverhältnismäßig, wissenschaftlich unzureichend begründet und hätten Grundrechte verletzt. Zudem kritisierte sie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung: Während reine Non-Food-Geschäfte schließen mussten, durften Lebensmitteleinzelhändler sowie Baumärkte geöffnet bleiben und auch Non-Food-Produkte verkaufen.
Das Urteil: Keine Haftung des Landes
Das Gericht stellte klar: Die Betriebsschließungen basierten auf den gesetzlichen Grundlagen des Infektionsschutzgesetzes (§§ 28, 28a i.V.m. § 32 IfSG) und waren im damaligen pandemischen Kontext rechtmäßig. Das Land habe auf Grundlage der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Lageberichte des Robert Koch-Instituts gehandelt. Die Maßnahmen seien verhältnismäßig gewesen, auch wenn sie in die Grundrechte der Klägerin eingegriffen hätten.
Ein entscheidender Punkt: Der Gesetzgeber müsse bei Entscheidungen in Krisensituationen nicht über zweifelsfreie empirische Belege verfügen, sondern könne auf sachgerechte Prognosen zurückgreifen. Angesichts der pandemischen Dynamik sei ein breiter Einschätzungsspielraum zulässig, der hier nicht überschritten worden sei.
Keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes
Auch die behauptete Ungleichbehandlung sah das Gericht nicht als Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Differenzierung zwischen dem für die Grundversorgung relevanten Einzelhandel – wie Supermärkte oder Baumärkte – und reinen Non-Food-Händlern sei durch Gemeinwohlinteressen sachlich gerechtfertigt. Es sei nachvollziehbar, dass in geöffneten Geschäften auch Non-Food-Artikel mitverkauft wurden, solange diese den Betrieb nicht dominierten.
Fazit: Kein Anspruch auf Schadensersatz
Insgesamt habe das Land Baden-Württemberg im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehandelt, so das Gericht. Die Notwendigkeit rascher Entscheidungen in einer unübersichtlichen Pandemielage erlaube generalisierende Regelungen. Auch wenn es im Einzelfall zu Nachteilen komme, sei das Gesamtkonzept tragfähig und sachlich begründet.
Rechtsmittel möglich
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann Berufung beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegen. Parallel laufen vergleichbare Verfahren auch in anderen Bundesländern.
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