Für Jason Dale sollte es die perfekte Familienreise werden – ein letztes großes Abenteuer, bevor sein ältester Sohn das Elternhaus verlässt. Gemeinsam mit zwei anderen Familien hatte er eine zehntägige Fahrt von Ontario nach Tennessee geplant: Dollywood, das Titanic-Museum, die Great Smoky Mountains. Die Route war ausgetüftelt, Unterkünfte gebucht, die Vorfreude groß.
Doch nach Donald Trumps Wiederwahl zum US-Präsidenten wurden die Pläne verworfen. Trumps jüngste Drohungen – von Strafzöllen bis hin zur Annexion Kanadas – sowie seine spöttische Bezeichnung von Justin Trudeau als „Gouverneur Justin Trudeau vom großartigen Staat Kanada“ waren für Dale und seine Freunde der letzte Tropfen.
„Die Rhetorik über Zölle, die Lächerlichmachung unseres Premierministers und das Gerede darüber, dass wir der 51. Bundesstaat werden könnten – das war der Punkt, an dem wir alle gesagt haben: Wir fahren nicht“, sagte Dale gegenüber CNN Travel. „Wir behalten unser Geld im eigenen Land.“
Er ist nicht allein. Immer mehr Kanadier kündigen an, ihre Reisen in die USA zu boykottieren – zumindest solange Trump im Amt ist. In sozialen Medien vermischen sich Wut, Angst und Enttäuschung. Während einige schwören, keinen Fuß auf US-amerikanischen Boden zu setzen, stehen andere vor schwierigen Entscheidungen wegen familiärer oder beruflicher Verpflichtungen.
Kanadische Touristen als Wirtschaftsfaktor
Die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Boykotts wären erheblich. Kanada ist die größte Quelle internationaler Touristen für die USA: 20,4 Millionen Kanadier besuchten das Land im letzten Jahr und gaben dabei rund 20,5 Milliarden US-Dollar aus. Laut der US Travel Association würde ein Rückgang der kanadischen Besucher um nur 10 % einen Verlust von 2,1 Milliarden US-Dollar und 14.000 Arbeitsplätze bedeuten.
Auch kanadische Reiseunternehmen spüren die Auswirkungen bereits. Kristine Geary, Geschäftsführerin des Busreiseunternehmens Maple Leaf Tours, berichtet von einem Rückgang der Buchungen um 30 %. Besonders Reisen nach Nashville, Washington und Myrtle Beach seien betroffen. „Viele unserer Kunden stornieren schweren Herzens, weil sie ihre lang geplanten Reisen auf Eis legen müssen“, so Geary.
Auf der anderen Seite der Grenze beginnen auch Amerikaner, die Folgen zu spüren. Monica Church aus New Jersey vermietete ihr Ferienhaus in South Carolina an kanadische Touristen – bis ihr ein Paar am Wochenende absagte und sich ausdrücklich auf den Handelskonflikt als Grund berief. Statt sich über den Verlust von 2.000 US-Dollar zu ärgern, zeigte Church Verständnis. „Ich beneide dieses Gefühl der nationalen Solidarität“, sagte sie. „Ich wünschte, wir Amerikaner würden uns auch wieder so verbunden fühlen.“
Sicherheitsbedenken: „Bin ich jetzt ein wandelndes Ziel?“
Neben wirtschaftlichen Gründen spielt für viele Kanadier auch die persönliche Sicherheit eine Rolle. Während Waffengewalt schon immer eine Sorge war, machen Trumps Rhetorik gegenüber trans Personen und Migranten viele noch nervöser. Als Dales Sohn Bedenken äußerte, mit seinen zwei schwulen Vätern in die USA zu reisen, war das für die Familie der endgültige Ausschlag, die Reise abzusagen.
Auch Colleen Whale aus Ontario sorgt sich um mögliche Anfeindungen. „Ich habe einen Regenbogen auf meiner Gürteltasche – bin ich jetzt ein wandelndes Ziel?“, fragt sie. Sie selbst ist nicht Teil der LGBTQ+-Community, aber eine Verbündete. Auch die politische Stimmung bereitet ihr Sorgen: „Wenn ich nur durch meinen Akzent als Kanadierin erkannt werde, macht mich das zur Zielscheibe?“
Doch die Angst ist beidseitig. Church, die über eine Reise nach Kanada nachgedacht hatte, fragt sich nun, ob Amerikaner dort willkommen sind. „Wird unser US-Kennzeichen in Kanada ein Problem sein?“
„Ich kann das einfach nicht tun“
Whale hatte sich geschworen, ihre Mutter 2026 erneut zum CMA Fest in Nashville zu begleiten, um ihren 75. Geburtstag zu feiern. Doch mit jedem Nachrichtenbericht wurde ihr klar: „Ich kann das einfach nicht tun.“ Als sie ihrer Mutter die Entscheidung mitteilte, weinten beide. „Ich wollte sie nicht enttäuschen“, sagt Whale. „Aber all die Schwere der Welt hat mich einfach überwältigt.“
Auch für Tamara Boden, eine Hochzeitsfotografin aus British Columbia, hat sich Trumps zweite Amtszeit anders angefühlt als die erste. „Die Drohungen, Kanada zum 51. Staat zu machen, sind beängstigend und empörend“, sagt sie. Zudem mache ihr die politische Entwicklung in den USA Angst: „Es gibt eine sehr reale Diskussion über einen Krieg gegen Frauen und Minderheiten. Als jemand mit einer Gebärmutter fühlt es sich für mich unsicher an, in die Staaten zu reisen.“
Boden lebt nur zehn Meilen von der US-Grenze entfernt. Bisher war es völlig normal, an einem Samstag mit der Familie kurz über die Grenze zu fahren, um in einem mexikanischen Restaurant zu essen oder bei Trader Joe’s und Target einzukaufen. Doch das hat sich geändert.
„So werde ich meine Samstage in den nächsten vier Jahren sicher nicht mehr verbringen.“
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