Redaktion: Herr Iwanow, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Interview nehmen. Das Unternehmen Profitus wirbt aktuell damit, dass Anleger bereits ab 100 Euro in Immobilien investieren können. Klingt verlockend – aber was steckt rechtlich dahinter?
RA Michael Iwanow: Vielen Dank für die Einladung. In der Tat klingt das Angebot auf den ersten Blick sehr attraktiv: niedrige Einstiegshürden, hohe versprochene Renditen von über 10 % und ein greifbares Investitionsobjekt – Immobilien. Aber gerade bei solchen Plattformen ist es entscheidend, dass Anleger verstehen, was sie da eigentlich tun. Denn rechtlich gesehen handelt es sich nicht um klassische Immobilienbeteiligungen, sondern um Crowdinvesting – meist in Form nachrangiger Darlehen.
Redaktion: Was bedeutet das für den Anleger konkret?
Iwanow: Der Anleger wird nicht Miteigentümer einer Immobilie, sondern gewährt einem Projektentwickler über die Plattform ein Darlehen – in der Regel nachrangig, das heißt: Im Fall einer Insolvenz des Projektträgers bekommen zuerst Banken und andere Gläubiger ihr Geld zurück. Der Crowdanleger steht ganz hinten. Das Risiko eines Totalverlusts ist also real – und wird im Marketing meist nur sehr zurückhaltend kommuniziert.
Redaktion: Profitus weist auf der Website auf Risiken hin – aber oft im Kleingedruckten. Reicht das rechtlich?
Iwanow: Das ist genau der Punkt. Anbieter sind verpflichtet, transparent über alle wesentlichen Risiken zu informieren. Das schließt ein: mögliche Projektverzögerungen, Insolvenz des Projektträgers, Plattformrisiken, Währungsrisiken (sofern nicht in Euro) und natürlich den möglichen Totalverlust. Wenn die Risiken in verkaufsstarker Sprache oder durch emotionale Appelle („Superhelden-Team“) vernebelt werden, kann das aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht problematisch sein. Es kommt letztlich immer auf den Gesamteindruck an.
Redaktion: In den allgemeinen Informationen heißt es: „In EU-Ländern fällt Crowdfunding nicht unter das Einlagen- und Anlegerhaftpflichtversicherungsgesetz.“ Was bedeutet das für Investoren?
Iwanow: Ganz einfach: Der Anleger ist nicht wie bei einer Bank durch eine Einlagensicherung geschützt, und auch keine Anlegerentschädigung greift – selbst dann nicht, wenn die Plattform Fehler macht oder in Schieflage gerät. Das muss jedem bewusst sein: Hier handelt es sich um eine unregulierte Hochrisikoklasse. Profitus ist kein Finanzinstitut im klassischen Sinne, sondern ein Vermittler zwischen Investoren und Kreditnehmern – mit sehr begrenzter Haftung.
Redaktion: Gibt es aus juristischer Sicht besondere Schwachstellen oder Warnzeichen bei Profitus?
Iwanow: Nun, ich möchte keine einzelnen Unternehmen pauschal abwerten, aber Anleger sollten Folgendes bedenken:
-
Die Gesellschaft sitzt in Litauen, also außerhalb der direkten Zuständigkeit deutscher Aufsichtsbehörden.
-
Die Plattform arbeitet werblich mit Renditen von über 10 %, was bei Immobilienprojekten nur mit hohem Risiko oder spekulativem Charakter erreichbar ist.
-
Rechtlich maßgeblich sind meist ausländische Vertragswerke – für deutsche Anleger oft schwer zu durchschauen oder im Streitfall nur schwer durchsetzbar.
Redaktion: Was raten Sie interessierten Anlegern?
Iwanow: Mein Rat ist ganz klar: Nur Geld investieren, das man im schlimmsten Fall verlieren kann – Stichwort Spielgeldmentalität. Und: Nicht von Marketing-Slogans wie „Geld sicher vor Inflation schützen“ oder „passives Einkommen“ blenden lassen. Das sind Versprechungen, die in keiner Weise garantiert sind. Wer ernsthaft investieren will, sollte die konkreten Vertragsbedingungen lesen oder – noch besser – sich anwaltlich beraten lassen, bevor er unterschreibt oder klickt.
Redaktion: Zum Schluss noch eine rechtliche Einschätzung: Ist das Modell von Profitus grundsätzlich legal?
Iwanow: Solange die Plattform die neuen Anforderungen der europäischen Crowdfunding-Verordnung (ECSP) einhält, ist das Geschäftsmodell legal – aber eben mit klaren Risiken verbunden. Was fehlt, ist oft die kritische Finanzbildung auf Anlegerseite. Hier sollte niemand auf das schnelle Geld hoffen. Es handelt sich um eine hochspekulative Anlageform, keine Sparkonten-Alternative.
Redaktion: Herr Iwanow, vielen Dank für das Gespräch.
RA Michael Iwanow: Sehr gerne. Und bleiben Sie kritisch – besonders wenn es um Ihr Geld geht.
Kommentar hinterlassen