Immer wieder warnt die BaFin vor unseriösen Finanzplattformen, falschen Börsengängen und betrügerischen WhatsApp-Gruppen. Zuletzt standen die angebliche „Patronus Consulting“, die fiktiv Aktien des Zahlungsdienstleisters Klarna verkauft haben soll, sowie die Apps AGAMPro und AGMX im Fokus. Diese versprechen hohe Gewinne, bauen Vertrauen auf – und führen am Ende viele Anleger in die Falle. Wir sprechen mit Rechtsanwältin Bontschev, Expertin für Kapitalmarkt- und Verbraucherrecht, darüber, wie solche Maschen funktionieren – und wie sich Betroffene effektiv schützen können.
„Betrüger nutzen bekannte Marken und menschliches Vertrauen aus“
Frage: Frau Bontschev, die BaFin warnt aktuell gleich vor mehreren Betrugsmodellen – einmal über angebliche Klarna-Aktien und einmal über WhatsApp-Gruppen, die sich als Investmentnetzwerke ausgeben. Was haben diese Fälle gemeinsam?
Rechtsanwältin Bontschev:
Beide Fälle zeigen sehr deutlich, wie raffiniert Betrüger heute vorgehen. Sie bedienen sich bekannter Namen und real existierender Marken – etwa Klarna oder Aegon – um Vertrauen aufzubauen. Anleger denken dann, sie hätten es mit einem seriösen Angebot zu tun. In Wirklichkeit stecken jedoch anonyme Betreiber ohne jede Erlaubnis dahinter.
Bei „Patronus Consulting“ wurde der Eindruck erweckt, man könne exklusive Vorzugsaktien eines bekannten Unternehmens erwerben. In Wahrheit existieren diese Aktien gar nicht. Bei den WhatsApp-Gruppen wird hingegen mit Gemeinschaftsgefühl, vermeintlichen Experten und exklusivem Wissen gearbeitet. Das Ziel ist immer dasselbe: Anleger sollen Geld einzahlen – meist über ausländische oder schwer nachverfolgbare Wege.
„Cold Calls, WhatsApp-Gruppen, Fake-Websites – alles rote Warnzeichen“
Frage: Woran können Verbraucher solche Betrugsversuche frühzeitig erkennen?
Rechtsanwältin Bontschev:
Es gibt eine ganze Reihe klarer Warnsignale. Besonders verdächtig ist es, wenn man ungefragt kontaktiert wird – sei es per Telefon, WhatsApp oder über soziale Netzwerke. Seriöse Finanzdienstleister dürfen keine Kaltakquise betreiben.
Auch sollten Anleger hellhörig werden, wenn hohe Renditen ohne Risiko versprochen werden oder wenn sie unter Zeitdruck gesetzt werden – etwa mit Aussagen wie „Nur noch heute verfügbar“.
Wichtig ist außerdem: In Deutschland dürfen Wertpapiere nur dann angeboten werden, wenn ein von der BaFin genehmigter Prospekt vorliegt. Jeder kann das in der Datenbank der BaFin selbst nachprüfen. Fehlt dieser Prospekt, ist das Angebot illegal.
Bei WhatsApp-Gruppen oder Apps wie AGAMPro gilt: Kein seriöser Finanzanbieter nutzt Messenger-Dienste, um Finanzprodukte zu vertreiben. Schon das ist ein klares Ausschlusskriterium.
„Viele Opfer bemerken den Betrug erst, wenn das Geld längst weg ist“
Frage: Was können Betroffene tun, wenn sie bereits Geld eingezahlt haben?
Rechtsanwältin Bontschev:
Schnelles Handeln ist entscheidend. Betroffene sollten sofort ihre Bank informieren, um eine mögliche Rückbuchung oder Kontosperrung zu veranlassen. Bei Zahlungen in Kryptowährungen ist das zwar schwieriger, aber auch dort lassen sich manchmal Transaktionswege nachverfolgen.
Zudem sollte immer Anzeige bei der Polizei oder beim Landeskriminalamt erstattet werden. Je früher Ermittler eingebunden werden, desto größer sind die Chancen, Täter zu identifizieren oder Zahlungsflüsse zu stoppen.
Ich rate Betroffenen außerdem, sich an einen spezialisierten Anwalt zu wenden. Dieser kann prüfen, ob möglicherweise Haftungsansprüche gegen Zahlungsdienstleister bestehen – etwa, wenn Banken Warnsignale übersehen oder Zahlungen an bekannte Betrugsplattformen trotzdem ausgeführt haben.
„Niemand verschenkt Rendite – das ist die wichtigste Regel“
Frage: Welche Vorsichtsmaßnahmen empfehlen Sie Anlegerinnen und Anlegern, um gar nicht erst in solche Fallen zu tappen?
Rechtsanwältin Bontschev:
Die wichtigste Regel lautet: Misstrauen ist der beste Anlegerschutz.
Niemand verschenkt Rendite, und exklusive Vorzugsaktien gibt es nicht per Telefonanruf. Wer Geld investieren möchte, sollte ausschließlich bei regulierten Anbietern handeln – das heißt, Unternehmen mit einer BaFin-Erlaubnis.
Außerdem sollten Anleger:
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Keine persönlichen Daten oder Ausweiskopien übermitteln, bevor sie die Echtheit eines Angebots überprüft haben.
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E-Mail-Adressen und Domains genau prüfen – Endungen wie „.net“ oder „.icu“ sind oft ein Hinweis auf unseriöse Anbieter.
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Eigene Recherchen anstellen – über die BaFin-Unternehmensdatenbank, aber auch über Warnlisten von Verbraucherzentralen oder Anlegerschutzverbänden.
„Betrüger werden immer besser – aber auch Anleger können cleverer werden“
Frage: Warum fallen selbst erfahrene Anleger immer wieder auf solche Systeme herein?
Rechtsanwältin Bontschev:
Weil die Täter inzwischen hochprofessionell agieren. Sie verwenden täuschend echte Logos, schreiben in fehlerfreiem Deutsch und präsentieren gefälschte Dokumente, die wie amtliche Papiere aussehen.
Hinzu kommt: Sie arbeiten mit Psychologie. Sie nutzen Vertrauen, Gruppendruck oder die Angst, eine einmalige Chance zu verpassen. Das funktioniert auch bei Menschen mit Finanzwissen.
Deshalb gilt: Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das in der Regel auch.
„Wer betroffen ist, sollte nicht schweigen“
Frage: Was raten Sie Menschen, die bereits Opfer solcher Betrugsmaschen geworden sind, sich aber schämen, das öffentlich zu machen?
Rechtsanwältin Bontschev:
Viele Betroffene fühlen sich schuldig oder glauben, sie hätten „einfach aufpassen müssen“. Das ist falsch. Diese Täter sind professionelle Manipulatoren, sie leben davon, Vertrauen zu missbrauchen.
Deshalb ist es wichtig, nicht zu schweigen. Wer sich meldet, hilft nicht nur sich selbst, sondern verhindert auch, dass andere in dieselbe Falle tappen.
Ich empfehle, den Fall der BaFin, der Polizei und möglichst einem Fachanwalt für Kapitalmarktrecht zu melden. Nur so lassen sich Betrugssysteme aufdecken und rechtliche Schritte einleiten.
Fazit
Ob über Cold Calls, WhatsApp-Gruppen oder vermeintliche Vor-IPO-Aktien – Betrugsmodelle im Finanzbereich werden immer ausgefeilter. Doch wie Rechtsanwältin Bontschev betont: Wer Angebote kritisch prüft, Genehmigungen hinterfragt und sich nicht unter Druck setzen lässt, kann sich effektiv schützen.
Zitat zum Schluss:
„Seriöse Investitionen brauchen Zeit, Transparenz und eine BaFin-Erlaubnis – alles andere ist in der Regel ein rotes Warnsignal.“
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