Thema: Teilerfolg in der Revision – gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern
Redaktion: Frau Bontschev, der Bundesgerichtshof hat das Urteil gegen Ihre Mandantin teilweise abgeändert. Wie bewerten Sie den Beschluss aus Sicht der Verteidigung?
Kerstin Bontschev: Der Beschluss ist ein gutes Beispiel dafür, dass der BGH auch bei umfangreichen Verurteilungen sehr sorgfältig prüft. In zwei Fällen hat er die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschung nicht mitgetragen – einfach, weil die Feststellungen dafür nicht ausgereicht haben. Das ist kein großer Paukenschlag, aber ein klarer Erfolg für rechtsstaatliche Präzision.
Redaktion: Die Strafen in den betreffenden Fällen wurden auf jeweils ein Jahr reduziert. Ist das für Ihre Mandantin überhaupt spürbar?
Bontschev: Unbedingt. Auch wenn die Gesamtfreiheitsstrafe nicht reduziert wurde, bedeutet die Korrektur der Einzelfreiheitsstrafen eine Anerkennung, dass das Urteil in Teilen fehlerhaft war. Für meine Mandantin ist das vor allem auch moralisch wichtig – sie wurde in zwei Anklagepunkten zu Unrecht schwerer belastet, als es die Beweislage hergab.
Redaktion: Es ging um 13 Fälle des Einschleusens, teils verbunden mit Urkundenfälschung. Wie häufig sind solche Verfahren?
Bontschev: Die Anzahl ist im oberen Bereich, aber nicht außergewöhnlich. Bei gewerbsmäßigem Einschleusen – vor allem im Zusammenhang mit organisierten Strukturen – kann sich die Anzahl der Taten schnell summieren. Entscheidend ist letztlich die Frage, ob das Handeln auf Gewinn ausgerichtet war – das macht aus einem Einzelfall ein gewerbsmäßiges Delikt.
Redaktion: Der BGH hat deutlich gemacht, dass die Einzelstrafen im Verhältnis stehen müssen. Warum ist das so wichtig?
Bontschev: Es geht um Gleichbehandlung. Die Straffestsetzung darf nicht willkürlich wirken, vergleichbare Fälle müssen auch vergleichbar bewertet werden. Der BGH hat in seinem Beschluss festgestellt, dass in anderen ähnlich gelagerten Fällen die Strafe nur ein Jahr betrug – und das dann konsequent auch auf die beanstandeten Fälle angewendet. So soll es sein.
Redaktion: Die Einziehungsentscheidung in Höhe von über 120.000 Euro blieb bestehen. War das erwartbar?
Bontschev: Ja, das war juristisch kaum angreifbar. Das Gericht hat den finanziellen Vorteil aus den Taten nachvollziehbar berechnet. In der Revision ging es auch nicht um die Einziehung, sondern um die Frage, ob alle rechtlichen Voraussetzungen für die jeweiligen Schuldsprüche vorlagen – und da konnten wir punkten.
Redaktion: Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen für ähnliche Fälle?
Bontschev: Genau hinschauen – gerade bei Tateinheit und bei der Feststellung von Einzelfakten. Und: Auch wenn die Chancen auf eine vollständige Aufhebung gering erscheinen, lohnt sich eine Revision oft für punktuelle Korrekturen. Das kann das Gesamtbild verändern, sei es im Strafvollzug oder für weitere juristische Schritte.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bontschev.
Kerstin Bontschev: Ich danke Ihnen.
Kommentar hinterlassen