Herr Reime, die US-Regierung hat gerade ein Tech-Unternehmen aus den Philippinen mit Sanktionen belegt, weil es tausende Fake-Krypto-Webseiten unterstützt haben soll. Wie bewerten Sie diesen Fall?
Jens Reime: Das ist ein Meilenstein in der internationalen Bekämpfung von Cyberkriminalität. Der Fall zeigt deutlich, dass es sich bei diesen sogenannten „Fake-Seiten“ nicht mehr um ein paar Einzeltäter mit Laptop im Keller handelt. Wir sprechen hier von organisierten Netzwerken, die mit industrieller Präzision vorgehen – inklusive gekaufter IP-Adressen, manipulierten Entwicklerplattformen und einem globalen Schadenspotenzial in Millionenhöhe.
Was genau macht solche Unternehmen wie Funnull so gefährlich für Verbraucher?
Reime: Sie sind die Infrastrukturgeber. Ohne Dienstleister wie Funnull könnten viele dieser Betrugsseiten gar nicht betrieben werden. Sie stellen nicht nur technische Mittel wie Server und Domains zur Verfügung, sondern auch Tools zur Anonymisierung und Umgehung von Behördenzugriffen. Dadurch können die Betrüger schnell reagieren und neue Seiten launchen, sobald eine alte gesperrt wird.
In Deutschland sind Fake-Shops ebenfalls ein großes Thema – gerade bei Konsumgütern oder Vignetten. Wo sehen Sie hier die Parallelen?
Reime: Die Mechanik ist sehr ähnlich. Egal ob Autobahnvignetten, Schnäppchen-Smartphones oder Krypto-Anlagen – der Köder ist immer: Vertrauen durch professionelles Auftreten. Fake-Shops kopieren seriöse Händlerseiten, nutzen Trust-Logos, stellen scheinbar echte Kundenbewertungen online. Oft unterscheiden sich die Adressen nur durch einen Buchstaben. Diese optische Täuschung reicht leider aus, um Verbraucher zu täuschen – und in kürzester Zeit hohe Summen zu erbeuten.
Wenn ich Opfer eines solchen Shops werde – was kann ich konkret tun?
Reime: Ganz wichtig: Ruhe bewahren und schnell handeln. Wenn per Lastschrift gezahlt wurde, kann man das Geld meist zurückbuchen lassen. Bei Kreditkarte oder PayPal kommt es auf den Einzelfall an – hier hilft es, direkt einen Käuferschutzfall zu eröffnen. In jedem Fall sollte eine Anzeige bei der Polizei erstattet und die eigene Bank informiert werden. Außerdem rate ich zur Prüfung, ob persönliche Daten möglicherweise schon im Darknet kursieren – etwa über den SCHUFA-Ident-Checker.
Viele Fake-Shops fordern Vorkasse – wie kann man sich davor schützen?
Reime: Niemals Vorkasse leisten, wenn man sich nicht absolut sicher ist. Besser sind Zahlungsmethoden mit Käuferschutz. Und: Das Impressum prüfen, Rechtschreibung und Domain genau anschauen. Wenn Preise zu gut klingen, um wahr zu sein – dann sind sie es meistens auch nicht. Die Verbraucherzentralen bieten zudem den „Fake-Shop-Finder“ an, mit dem man verdächtige URLs schnell checken kann.
Zurück zum Fall Funnull – welche rechtlichen Mittel stehen den USA hier überhaupt zur Verfügung, wenn das Unternehmen auf den Philippinen sitzt?
Reime: Mit der OFAC-Sanktionsliste hat die US-Regierung ein sehr scharfes Schwert. Unternehmen und Personen auf dieser Liste sind faktisch vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Banken, Cloud-Anbieter und Dienstleister weltweit müssen dann ihre Geschäftsbeziehungen abbrechen, wenn sie nicht selbst in die Schusslinie geraten wollen. So etwas entfaltet global enorme Wirkung – auch ohne physischen Zugriff auf die Täter.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Kampf gegen Cyberbetrug?
Reime: Internationale Zusammenarbeit und schnelle Reaktionen. Die Täter operieren längst global – die Strafverfolgung muss das auch tun. Und auf nationaler Ebene brauchen wir mehr Aufklärung, vor allem für ältere oder weniger technikaffine Menschen. Außerdem sollten Plattformen wie Google oder Meta stärker in die Pflicht genommen werden, verdächtige Anzeigen und Domains frühzeitig zu erkennen und zu blockieren.
Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch.
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