Der ehemalige Richter am Obersten Gerichtshof der USA, David Souter, ist im Alter von 85 Jahren verstorben. Souter, der 1990 vom republikanischen Präsidenten George H.W. Bush ernannt wurde, entwickelte sich am Supreme Court zu einer liberalen Stimme und wurde für viele Konservative zur Symbolfigur einer „Fehlbesetzung“.
Vom konservativen Hoffnungsträger zum liberalen Richter
Souter, bekannt als der „stille Nominee“, galt ursprünglich als konservativer Kandidat, der die Rechtsprechung des Gerichts nach rechts lenken sollte. Doch dieser Plan ging nicht auf: Bereits wenige Jahre nach seinem Amtsantritt unterstützte Souter 1992 die Aufrechterhaltung des Grundsatzes von Roe v. Wade, das Abtreibungsrechte gewährte – ein Urteil, das erst 2022 gekippt wurde.
Sein liberaler Kurs setzte sich fort: Souter sprach sich in wichtigen Entscheidungen für Bürgerrechte, positive Diskriminierung und Wahlrecht aus. Sein juristischer Ansatz zeichnete sich durch Mäßigung und intellektuelle Tiefe aus, was ihm den Respekt vieler Kollegen einbrachte.
Ein Leben fernab vom Rampenlicht
Souter, der seine Zeit am Supreme Court gerne mit einem einfachen Joghurt und einem Apfel als Mittagessen verbrachte – wobei er sogar den Apfelkern aß – war kein Freund des Washingtoner Gesellschaftslebens. Nach 19 Jahren Amtszeit trat er 2009 freiwillig zurück, um in seine geliebte Heimat New Hampshire zurückzukehren. Dort verbrachte er die letzten Jahre seines Lebens in Ruhe und zog es vor, hin und wieder an unteren Gerichten auszuhelfen.
Reaktionen auf seinen Tod
Oberster Richter John Roberts würdigte Souter als einen Mann von „großer Weisheit und Freundlichkeit“, dessen Hingabe zum öffentlichen Dienst unvergleichlich gewesen sei. Auch konservative Kollegen wie Clarence Thomas und Samuel Alito erinnerten an seinen freundlichen und respektvollen Umgang.
„David Souter war eine einzigartige Persönlichkeit mit besonderer Freundlichkeit und Anstand“, erklärte Richterin Sonia Sotomayor, die 2009 seinen Platz im Gericht einnahm.
Ein Jurist mit Prinzipien
Souter blieb seiner Überzeugung treu, dass das Recht eine dynamische und menschliche Komponente benötigt. In einer Rede 2010 betonte er:
„Wir wollen nicht nur Freiheit, sondern auch Gleichheit. Diese Wünsche können miteinander kollidieren, und wenn sie es tun, muss das Gericht abwägen, welches Prinzip gerade überwiegt.“
Ein Mann mit eigenem Kopf
Seine Ablehnung gegenüber der Politisierung des Gerichts wurde deutlich, als er die Entscheidung im Fall Bush v. Gore (2000), die George W. Bush die Präsidentschaft sicherte, als einen „politischen Fehlgriff“ betrachtete. Souter zeigte sich tief enttäuscht darüber, dass die richterliche Unabhängigkeit dem politischen Druck weichen musste.
Ein Vermächtnis des Nachdenkens
David Souter hinterlässt ein Vermächtnis, das in der heutigen ideologisch polarisierten Justizlandschaft Seltenheitswert hat: die Überzeugung, dass juristische Entscheidungen menschliche Dimensionen berücksichtigen müssen und das Gericht nicht nur abstrakte Prinzipien, sondern auch die realen Auswirkungen im Blick haben sollte.
Mit seinem Tod verliert die amerikanische Justiz eine Stimme, die sich nicht in politische Schubladen zwängen ließ – ein Jurist, der den Mut hatte, anders zu denken.
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