In der Diskussion über die Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland zeichnet sich ein wachsender Widerstand gegen das geplante Losverfahren ab. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), plädiert für eine einheitliche Musterung aller jungen Männer, um die Bundeswehr besser auf Krisenfälle vorzubereiten.
„Ich teile die Einschätzung des Generalinspekteurs: Eine einheitliche Musterung aller jungen Männer ist ein notwendiger Schritt, um im Krisenfall schnell und zielgerichtet handeln zu können“, sagte Röwekamp der Augsburger Allgemeinen. Nur so könne die Bundeswehr auf eine verlässliche Datenbasis zurückgreifen. Angesichts der verschärften Sicherheitslage in Europa sei eine solche Maßnahme „sicherheitspolitisch geboten“.
Koalition ringt um Wehrdienstmodell
Die schwarz-rote Koalition plant, im Notfall per Losverfahren auszuwählen, welche jungen Männer gemustert werden sollen. Damit soll der organisatorische Aufwand verringert werden. Doch diese Lösung stößt sowohl bei Militärs als auch bei Teilen der Union zunehmend auf Kritik.
Generalinspekteur Carsten Breuer hatte bereits betont, dass die Armee nur mit einer vollständigen Musterung „verlässlich und planbar“ arbeiten könne. Ohne diese Grundlage wisse man nicht, wie viele Bürger im Ernstfall tatsächlich verfügbar seien.
Organisatorische Herausforderungen
Auch innerhalb der Union gibt es Zustimmung für eine umfassende Musterung – allerdings mit Vorbehalten. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann warnte, die Umsetzung sei eine „große logistische Herausforderung“. Die Untersuchung von jährlich rund 300.000 jungen Männern erfordere erhebliche Kapazitäten und Vorlaufzeit. Dennoch erklärte Hoffmann, man könne sich auch von der bisherigen Idee eines Losverfahrens lösen: „Mein Herz hängt nicht am Losverfahren.“
Kritik an Verteidigungsminister Pistorius
Unionsgeschäftsführer Steffen Bilger warf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor, die Einigung über das Losverfahren „ausgebremst“ zu haben. Zugleich betonte Bilger, die Gespräche zwischen den Fachpolitikern von Union und SPD seien „konstruktiv“. Pistorius solle sich nun aktiv an der Ausgestaltung des neuen Wehrdienstgesetzes beteiligen, um eine rasche Einigung zu ermöglichen.
Ziel: 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten
Derzeit umfasst die Bundeswehr rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten. Um die Verpflichtungen gegenüber der NATO erfüllen zu können, soll die Zahl auf 260.000 aktive Kräfte steigen. Zusätzlich sind etwa 200.000 Reservistinnen und Reservisten vorgesehen.
Die Bundesregierung sucht nach Wegen, den Personalbedarf zu decken – zwischen freiwilligem Wehrdienst, verpflichtender Musterung und gezielter Rekrutierung. Der Streit um das Losverfahren zeigt, wie schwierig der politische Konsens über eine moderne Form des Wehrdienstes bleibt.
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