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Colma – die Stadt, in der die Toten in der Überzahl sind

OpenClipart-Vectors (CC0), Pixabay
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Auf den ersten Blick wirkt Colma wie eine ruhige Kleinstadt südlich von San Francisco – doch wer genauer hinsieht, erkennt schnell, dass die Lebenden hier in der Minderheit sind. In dem nur 2,2 Quadratmeilen großen Ort leben rund 1.600 Menschen, aber über 1,6 Millionen Tote.

Colma wurde 1924 offiziell als Nekropole gegründet – eine Stadt für die Toten. Der Grund: San Francisco hatte damals neue Beerdigungen innerhalb der Stadtgrenzen verboten und ließ Zehntausende Verstorbene auf Friedhöfe im benachbarten Colma umbetten.

Heute gibt es dort 17 Friedhöfe, darunter katholische, jüdische, japanische, chinesische, serbische und griechische Ruhestätten – sowie sogar einen Tierfriedhof, auf dem unter anderem der Hund von Tina Turner begraben liegt.

Das städtische Motto lautet mit einem Augenzwinkern:

„It’s great to be alive in Colma“ – Es ist großartig, in Colma am Leben zu sein.


Eine Stadt, geboren aus dem Tod

Im 19. Jahrhundert war San Francisco vom Goldrausch geprägt – und von Platzmangel. Als die Friedhöfe dort überquollen und Bedenken wegen möglicher Gesundheitsrisiken laut wurden, entschied die Stadt, die Verstorbenen auszugraben und umzusiedeln.

Zwischen 1920 und 1940 wurden rund 150.000 Leichen nach Colma gebracht – in Särgen, Kisten oder auch nur in Schachteln mit Gebeinen. Die wohlhabenden Familien ließen ihre Grabsteine mitumziehen, viele andere blieben zurück – manche wurden später sogar als Baumaterial wiederverwendet.

Heute ruhen in Colma Berühmtheiten wie Joe DiMaggio, Wyatt Earp, Zeitungsverleger William Randolph Hearst, Levi Strauss und Harvey Milk. Besucher legen Baseballs, Blumen oder Münzen auf die Grabsteine ihrer Idole.


Leben zwischen den Toten

Für viele Einwohner ist der Tod hier Alltag. Richard Rocchetta, Sohn eines Totengräbers und heute Direktor des örtlichen Geschichtsmuseums, kennt jedes Grab. Sein Vater sagte ihm einst:

„Mach dir mehr Sorgen um die Lebenden als um die Toten.“

Rocchetta wuchs zwischen Friedhofsmauern auf, lernte dort Autofahren und baute mit Freunden Baumhäuser am Rand der Gräberfelder. Heute sieht er von seinem Fenster aus Grabsteine – und täglich die schwarzen Leichenwagen, die neue Bewohner bringen.


Geschichten aus der „City of Souls“

In Colma haben sich über Generationen Handwerksbetriebe rund um den Tod erhalten: Steinmetze, Floristen, Bestatter.
Mark Fontana, Enkel eines italienischen Einwanderers, führt in dritter Generation eine Werkstatt für Grabsteine. Er sagt:

„Es ist das Letzte, was jemand für einen anderen tut – und es bleibt für immer.“

Und im Molloy’s Tavern, einer traditionsreichen Bar gegenüber dem Holy Cross Cemetery, trinken Trauergäste seit den 1920er-Jahren ihren letzten Whiskey auf die Verstorbenen. Selbst Wyatt Earp soll dort vorbeigeschaut haben.


Kein Ort des Schreckens, sondern der Ehrfurcht

Trotz seiner düsteren Statistik ist Colma keine Geisterstadt. Halloween-Veranstaltungen finden statt – etwa Filmvorführungen auf Friedhofswiesen – doch die Bewohner legen Wert auf Respekt statt Grusel.

Helen Fisicaro, Stadträtin und ehemalige Bürgermeisterin, beschreibt das Verhältnis so:

„Wir leben mit unseren Toten, nicht gegen sie. Es ist ein Ort der Erinnerung, kein Ort des Spuks.“

Wenn sie Besucher durch die Friedhöfe führt, zeigt sie lieber die gepflegten Alleen, die alten Bäume und die stillen Geschichten auf den Grabsteinen. Denn in Colma, sagt sie, „erzählen selbst die Steine noch vom Leben“.


Fazit:
Colma ist keine Geisterstadt, sondern ein lebendiges Denkmal für die Vergänglichkeit. Hier sind Tod und Alltag untrennbar miteinander verbunden – und vielleicht ist das der Grund, warum die Bewohner ihr Motto mit einem Lächeln sagen:

„Es ist großartig, in Colma am Leben zu sein.“

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