Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage VI (Off-Label-Use) – 6-Mercaptopurin zur Immunsuppression in der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage VI (Off-Label-Use) –
6-Mercaptopurin zur Immunsuppression in der Therapie
der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Vom 21. Oktober 2021

Der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) hat in seiner Sitzung am 21. Oktober 2021 beschlossen, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/​22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), die zuletzt durch die Bekanntmachung des Beschlusses vom 2. Dezember 2021 (BAnz AT 29.12.2021 B4) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie wird in Teil A folgende Ziffer „XXXIV. 6-Mercaptopurin zur Immunsuppression in der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen“ angefügt:

„1.

Hinweise zur Anwendung von 6-Mercaptopurin zur Immunsuppression in der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gemäß § 30 Absatz 2 AM-RL:

a)
Nicht zugelassenes Anwendungsgebiet (Off-Label-Indikation):
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
b)
Behandlungsziel:
Remissionserhalt
c)

Welche Wirkstoffe sind für das entsprechende Anwendungsgebiet zugelassen?

Kortikosteroide, systemisch und lokal
Mesalazin, Sulfasalazin, Olsalazin (letzteres nur Colitis ulcerosa)
Azathioprin
Methotrexat (nur Morbus Crohn)
Infliximab, Adalimumab, Golimumab (letzteres nur Colitis ulcerosa)
Vedolizumab
Ustekinumab
Tofacitinib (nur Colitis ulcerosa)
d)
Spezielle Patientengruppe:
Bei Patientinnen und Patienten mit schwerer oder mittelschwerer entzündlicher Darmerkrankung (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa), die Steroide nicht vertragen, die steroidabhängig sind oder bei denen trotz hochdosierter Behandlung mit Steroiden keine ausreichende oder nachhaltige therapeutische Wirkung erzielt werden kann, sollte die Therapie mit Thiopurinen (Azathioprin oder 6-Mercaptopurin) in Betracht gezogen werden.
6-Mercaptopurin kommt nur für Patientinnen und Patienten in Betracht, für die aufgrund von Nebenwirkungen eine Fortsetzung einer Behandlung mit Azathioprin nicht mehr in Frage kommt.
Die Entscheidung hinsichtlich einer Anwendung von 6-Mercaptopurin sollte nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und des Nutzens des Einsatzes des Arzneimittels erfolgen.
e)
Patienten, die nicht behandelt werden sollten:
Analog zu Azathioprin sollte bei männlichen Kindern, Adoleszenten und jungen Erwachsenen ohne durch­gemachte Epstein-Barr-Infektion (negative EBV-Serologie) aufgrund der Gefahr eines EBV-assoziierten ­Lymphoms die Therapieindikation besonders kritisch geprüft werden.
f)
Dosierung:
1,0 – 1,5 mg/​kg Körpergewicht
g)
Behandlungsdauer:
Eine genaue Angabe zur Dauer der Therapie mit 6-Mercaptopurin kann aufgrund fehlender Daten nicht gemacht werden. Insgesamt sollte die remissionserhaltende Therapie mit 6-Mercaptopurin langfristig durch­geführt werden. Es gibt Daten aus Studien, dass ein positiver Effekt der immunsuppressiven Therapie mit Thiopurinen zumindest über 4 Jahre nachweisbar ist.
h)
Wann sollte die Behandlung abgebrochen werden?
Die Behandlung ist beim Auftreten schwerwiegender Nebenwirkungen und bei fehlender Wirksamkeit (frühzeitiges Rezidiv der Grunderkrankung) abzubrechen.
i)
Nebenwirkungen/​Wechselwirkungen, wenn diese über die zugelassene Fachinformation hinausgehen oder dort nicht erwähnt sind:
Kombinationstherapien mit anderen Immunsuppressiva, z. B. Steroide, TNF-alpha-Antikörper, erhöhen das Risiko für schwerwiegende Infektionen. Hier ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig. Die ­Medikation mit 6-Mercaptopurin erhöht in Abhängigkeit von der Therapiedauer das Risiko für die Entwicklung des Nicht-Melanom-Hautkrebs (NMSC) sowie von Non-Hodgkin-Lymphomen.
Nach der Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte sind Verdachtsfälle von Nebenwirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bzw. der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. Dies gilt auch für Arzneimittel, die im Off-Label-Use eingesetzt werden. Auch für Patientinnen und Patienten besteht die Möglichkeit, Nebenwirkungen direkt an die Bundesoberbehörden zu melden.
j)
Weitere Besonderheiten:
Die Medikation ist nicht zur Induktion einer Remission geeignet. Eine Beurteilung der Wirksamkeit sollte nach frühestens 3 bis 6 Monaten durchgeführt werden.
k)
Zustimmung der pharmazeutischen Unternehmer:
Die folgenden pharmazeutischen Unternehmer haben für ihre 6-Mercaptopurin-haltigen Arzneimittel eine Anerkennung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs abgegeben (Haftung des pharmazeutischen Unternehmers), sodass ihre Arzneimittel für die vorgenannte Off-Label-Indikation verordnungsfähig sind:
Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG
Nicht verordnungsfähig sind in diesem Zusammenhang die 6-Mercaptopurin-haltigen Arzneimittel anderer pharmazeutischer Unternehmer, da diese keine entsprechende Erklärung abgegeben haben.
2.
Anforderungen an eine Verlaufsdokumentation gemäß § 30 Absatz 4 AM-RL: entfällt.“

II.

Die Änderung der Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 21. Oktober 2021

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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