Baufinanzierung: Bereitstellungsprovision darf Darlehenszinssatz um mehr als das Doppelte übersteigen

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine Bank in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bereitstellungsprovision vorsieht, die den nach der Auszahlung des Darlehens geschuldeten Zinssatz erheblich übersteigt. Mit dieser Aussage hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 12.10.2021 die Berufung eines Verbraucherschutzverbandes gegen ein Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26.5.2020 zurückgewiesen.

Der klagende Verbraucherschutzverband hat eine Bank auf Unterlassung einer im Bereich der Baufinanzierung verwendeten Vertragsklausel in Anspruch genommen. Nach dieser Klausel schuldet der Darlehensnehmer eine Bereitstellungsprovision von 0,25 Prozent pro Monat in Bezug auf den Darlehensbetrag, der nach Ablauf einer Abruffrist noch nicht zur Auszahlung gekommen ist. Diese Klausel hält der Verbraucherschutzverband für inhaltlich unangemessen und deswegen unwirksam. Als Beispiel hat er einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und der beklagten Bank vorgelegt, bei dem ein jährlicher Vertragszins von 1,22 Prozent ab Auszahlung des Darlehens vereinbart war. Die bis zur Auszahlung des Darlehens geschuldete Bereitstellungsprovision von umgerechnet ca. drei Prozent pro Jahr übersteigt die nach der Darlehensauszahlung geschuldeten Zinsen also um das nahezu Zweieinhalbfache.

Der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe verneint einen Verstoß dieser vertraglichen Gestaltung gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dafür ist die gesetzgeberische Entscheidung maßgeblich, sogenannte Preisabreden der sonst vorgesehenen Inhaltskontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen grundsätzlich zu entziehen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Bei der Klausel zur Bereitstellungsprovision handelt es sich um eine solche Preisabrede. Sie regelt gerade die Vergütung der von der Bank erbrachten Sonderleistung, dem Darlehensnehmer den Darlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrages auf Abruf bereitzuhalten.

Daneben verstößt die Klausel nach der Auffassung des Senats auch nicht gegen das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte in § 138 Abs. 1 BGB. Zwar kann ein danach unwirksames „wucherähnliches Kreditgeschäft“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegen, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzinssatz relativ um etwa 100 Prozent oder absolut um zwölf Prozentpunkte überschreitet. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den 1980er- und 1990er-Jahren führt allerdings im vorliegenden Fall aus zwei Gründen nicht zur Sittenwidrigkeit der Vertragsklausel zur Bereitstellungsprovision.

Zum einen sind Bereitstellungsprovision und Darlehenszins bereits nicht miteinander vergleichbar, weil diesen Leistungen unterschiedliche Gegenleistungen der Bank gegenüberstehen: Während die Zahlung des Vertragszinses die von dem Darlehensnehmer zu erbringende Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta durch die Bank darstellt, ist die Zahlung der Bereitstellungsprovision die Gegenleistung für die von der Bank geschuldete Bereithaltung eines Darlehensbetrags auch nach Ablauf der Abnahmefrist.

Zum anderen läge selbst bei einer Vergleichbarkeit des Vertragszinssatzes einerseits und der Bereitstellungsprovision andererseits auch bei einer Zinsdifferenz von rund 250 Prozent in der derzeitigen Niedrigzinsphase kein zu einer Sittenwidrigkeit führendes auffälliges Missverhältnis vor. Bei einer starren Fixierung auf die – aus einer Zeit erheblich höherer Zinssätze stammende – relative 100 Prozent-Grenze in einer Niedrigzinsphase würde bereits ein – in absoluten Zahlen – geringfügiger Zinsunterschied (z. B. 0,6 Prozent statt 0,3 Prozent) zur Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages führen. Ein solcher Unterschied vermag das Verdikt der Sittenwidrigkeit aber nicht zu begründen. Daher ist nach Auffassung des Senats in Niedrigzinsphasen die absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Maßstab einer Sittenwidrigkeit (mit-) heranzuziehen. Dabei kann ein „Spread“ der Immobilienkreditkonditionen von drei Prozentpunkten noch akzeptiert werden; erst eine noch höhere Abweichung wäre als sittenwidrig anzusehen. Im jetzt entschiedenen Fall lag die Zinsdifferenz aber deutlich darunter.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2021, Aktenzeichen: 17 U 545/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 26.5.2020, Aktenzeichen: 10 O 38/20

 

Datum: 21.10.2021

Pressemitteilung vom 21. Oktober 2021 (16/21)
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Baufinanzierung: Bereitstellungsprovision darf Darlehenszinssatz um mehr als das Doppelte übersteigen

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine Bank in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bereitstellungsprovision vorsieht, die den nach der Auszahlung des Darlehens geschuldeten Zinssatz erheblich übersteigt. Mit dieser Aussage hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 12.10.2021 die Berufung eines Verbraucherschutzverbandes gegen ein Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26.5.2020 zurückgewiesen.

Der klagende Verbraucherschutzverband hat eine Bank auf Unterlassung einer im Bereich der Baufinanzierung verwendeten Vertragsklausel in Anspruch genommen. Nach dieser Klausel schuldet der Darlehensnehmer eine Bereitstellungsprovision von 0,25 Prozent pro Monat in Bezug auf den Darlehensbetrag, der nach Ablauf einer Abruffrist noch nicht zur Auszahlung gekommen ist. Diese Klausel hält der Verbraucherschutzverband für inhaltlich unangemessen und deswegen unwirksam. Als Beispiel hat er einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und der beklagten Bank vorgelegt, bei dem ein jährlicher Vertragszins von 1,22 Prozent ab Auszahlung des Darlehens vereinbart war. Die bis zur Auszahlung des Darlehens geschuldete Bereitstellungsprovision von umgerechnet ca. drei Prozent pro Jahr übersteigt die nach der Darlehensauszahlung geschuldeten Zinsen also um das nahezu Zweieinhalbfache.

Der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe verneint einen Verstoß dieser vertraglichen Gestaltung gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dafür ist die gesetzgeberische Entscheidung maßgeblich, sogenannte Preisabreden der sonst vorgesehenen Inhaltskontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen grundsätzlich zu entziehen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Bei der Klausel zur Bereitstellungsprovision handelt es sich um eine solche Preisabrede. Sie regelt gerade die Vergütung der von der Bank erbrachten Sonderleistung, dem Darlehensnehmer den Darlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrages auf Abruf bereitzuhalten.

Daneben verstößt die Klausel nach der Auffassung des Senats auch nicht gegen das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte in § 138 Abs. 1 BGB. Zwar kann ein danach unwirksames „wucherähnliches Kreditgeschäft“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegen, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzinssatz relativ um etwa 100 Prozent oder absolut um zwölf Prozentpunkte überschreitet. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den 1980er- und 1990er-Jahren führt allerdings im vorliegenden Fall aus zwei Gründen nicht zur Sittenwidrigkeit der Vertragsklausel zur Bereitstellungsprovision.

Zum einen sind Bereitstellungsprovision und Darlehenszins bereits nicht miteinander vergleichbar, weil diesen Leistungen unterschiedliche Gegenleistungen der Bank gegenüberstehen: Während die Zahlung des Vertragszinses die von dem Darlehensnehmer zu erbringende Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta durch die Bank darstellt, ist die Zahlung der Bereitstellungsprovision die Gegenleistung für die von der Bank geschuldete Bereithaltung eines Darlehensbetrags auch nach Ablauf der Abnahmefrist.

Zum anderen läge selbst bei einer Vergleichbarkeit des Vertragszinssatzes einerseits und der Bereitstellungsprovision andererseits auch bei einer Zinsdifferenz von rund 250 Prozent in der derzeitigen Niedrigzinsphase kein zu einer Sittenwidrigkeit führendes auffälliges Missverhältnis vor. Bei einer starren Fixierung auf die – aus einer Zeit erheblich höherer Zinssätze stammende – relative 100 Prozent-Grenze in einer Niedrigzinsphase würde bereits ein – in absoluten Zahlen – geringfügiger Zinsunterschied (z. B. 0,6 Prozent statt 0,3 Prozent) zur Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages führen. Ein solcher Unterschied vermag das Verdikt der Sittenwidrigkeit aber nicht zu begründen. Daher ist nach Auffassung des Senats in Niedrigzinsphasen die absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Maßstab einer Sittenwidrigkeit (mit-) heranzuziehen. Dabei kann ein „Spread“ der Immobilienkreditkonditionen von drei Prozentpunkten noch akzeptiert werden; erst eine noch höhere Abweichung wäre als sittenwidrig anzusehen. Im jetzt entschiedenen Fall lag die Zinsdifferenz aber deutlich darunter.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2021, Aktenzeichen: 17 U 545/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 26.5.2020, Aktenzeichen: 10 O 38/20

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