Barmer GEK Sparen um welchen Preis?

„Die neue Welt der BarmerGEK sieht so aus: Zwar gibt es weniger Geschäftsstellen, dafür dort mehr Personal und bundesweit einheitlich lange Öffnungszeiten bis zum frühen Abend. Vor allem Versicherte mit ‚komplizierten Anliegen‘ wie Schwerkranke, Multimorbide oder Pflegepatienten sollen von einem besseren Service profitieren. Dabei sei sichergestellt, dass in aller Regel kein Kunde ‚überlange‘ Wege in Kauf nehmen müsse.“
So beschreibt die FAZ am 23. Februar 2014 das Ziel der Krankenkasse. Im ARD-Morgenmagazin präzisierte der Vorstandschef, seine Mitarbeiter würden diejenigen Versicherten, die nicht per Internet oder Telefon kommunizieren können oder wollen, häufiger zu Hause aufsuchen. So solle kein Versicherter unter dem großen Umbau leiden. Vielmehr werde die Kasse an die Erfordernisse eines modernen Gesundheitssystems angepasst.

Was ist von dem geplanten Service der BarmerGEK zu halten?

Das ist nicht so einfach vorherzusagen. Längere Öffnungszeiten, kompetenteres Personal und eine straffere Organisation werden die Kasse bestimmt nicht schlechter machen. Und Hausbesuche bei Patienten oder Versicherten mit besonders „komplizierten Anliegen“ sind per se auch nichts Schlechtes.

Allerdings kann man über die telefonische oder persönliche „Betreuung“ von Versicherten durch Krankenkassen auch viel Kritisches hören. Wir haben den Eindruck, dass die meisten Kassen ihre Versicherten nur dann zu Hause anrufen oder aufsuchen, wenn sie viel Geld kosten – vor allem wenn sie seit Monaten Krankengeld beziehen. Dann bekommen sie kritische Fragen vorgelegt, die Krankenkassen eigentlich gar nicht stellen dürfen. Denn Fragen zu Diagnosen und medizinischen Behandlungen darf nur der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) stellen. Ihn muss die Krankenkasse beauftragen, und von ihm bekommt sie anschließend eine zusammenfassende Einschätzung, nicht aber Details über medizinische Fakten.

Der BarmerGEK-Chef versichert, die geplante Rosskur der Kasse sei kein Sparprogramm, sondern eine Anpassung an die Veränderungen der modernen Welt. Wir werden das nur glauben, wenn wir keine Klagen über Gängelung teurer Versicherter hören, wenn die angekündigten Hausbesuche wirklich die Behandlung von Patienten mit „komplizierten Anliegen“ verbessern und wenn die Streichung von Geschäftsstellen flankiert wird durch neue, attraktive Angebote auch für diejenigen, die nicht jung und gesund, sondern alt, krank oder behindert sind.

Konkurrenz belebt den Zynismus

Der Wettbewerb der Krankenkassen darf nicht dazu führen, dass die Kassen nur noch Junge und Gesunde anwerben und Alte, Kranke und Behinderte ignorieren oder gar aus ihrem Mitgliederkreis hinausdrängen. Solche Versuche haben wir in der Vergangenheit mehrfach erlebt:

  • Eine junge Frau, die gerade das Abitur gemacht hat, beantragt eine psychotherapeutische Behandlung. Die Mitarbeiterin der Krankenkasse deutet an, sie habe es leichter, bei ihrem Chef die Bewilligung dieses Antrags zu erreichen, wenn die junge Frau ein paar Adressen ihrer Mitschüler liefern könne. Zu Werbezwecken.
  • Ein freiwillig versicherter Mann erreicht das Rentenalter. Natürlich ist die Rente geringer als sein vorheriges Einkommen und die Differenz zwischen dem, was er einzahlt, und dem, was er als chronisch Kranker kostet, wird noch größer. Seltsam, dass genau in dieser Zeit seine Krankenkasse behauptet, er habe drei Monate lang 0,01 Euro (wirklich: einen Cent) zu wenig überwiesen, und solle dafür 15 Euro (!) Säumnisgebühr bezahlen. Bei Prüfung stellt er aber fest, dass er genau den Betrag überwiesen hatte, der auf seinem Beitragsbescheid stand. Doch die Kasse bleibt dabei. Selbst nachdem sich die Aufsichtsbehörde eingeschaltet hat, rückt sie nicht von ihrer Forderung ab – jetzt behauptet sie, es sei gar nicht um den einen Cent gegangen, sondern der Versicherte habe seinen Beitrag zwei oder drei Tage zu spät bezahlt. Erfolg des Ganzen: Der alte kranke Herr hat diese Kasse schnellstens verlassen. War es das, was die Kasse wollte?

Das sind zwei wirklich krasse Beispiele für das Werben um Junge und Gesunde sowie das Abwimmeln und Hinausdrängen alter und kranker Versicherter. Doch wer Wettbewerb will, muss mit solchen Nebenwirkungen rechnen. Krankenkassen werden alles tun, um zu verhindern, dass sie als erste wieder einen Zusatzbeitrag einführen müssen. Zu präsent ist noch die Erinnerung an den Februar 2010, als zum ersten Mal eine ganz große Kasse acht Euro pro Monat von ihren Mitgliedern extra kassieren musste und ihr daraufhin fast zehn Prozent der Mitglieder wegliefen.

Quelle:VBZ HH

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