Die US-Handelskrise verschärft sich – und Amerikas größte Einzelhändler müssen nun einen riskanten Balanceakt meistern: Preise erhöhen, ohne Kundschaft oder Präsident Donald Trump zu verärgern. Denn wer es wagt, die Zölle offen zu kritisieren, riskiert einen öffentlichen Rüffel aus dem Weißen Haus – oder sogar geschäftliche Repressalien.
Walmart tritt ins Rampenlicht – und fängt sich Ärger ein
Walmart, mit rund 40 % importierter Ware stark von Zöllen betroffen, war jüngst der erste Einzelhandelsriese, der offen vor Preiserhöhungen infolge der neuen Trump-Zölle warnte. CEO Doug McMillon sagte deutlich, dass trotz reduzierter Zollhöhen auf chinesische Produkte (nun 30 % statt 145 %) nicht alle Zusatzkosten geschluckt werden könnten.
Trumps Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Über seine Plattform Truth Social tadelte er das Unternehmen: „Walmart sollte aufhören, die Zölle für die Preissteigerungen verantwortlich zu machen. Sie sollen die Zölle einfach schlucken – Punkt.“
Intern war Walmart laut CNN-Quellen auf diese Reaktion vorbereitet. Dennoch wollte man sowohl Aktionäre über die finanziellen Risiken informieren als auch verhindern, dass Verbraucher die Preissteigerungen als reine Gewinnmaximierung missverstehen.
Home Depot und Target: Leise Töne statt lauter Kritik
Im Gegensatz zu Walmart bemühten sich Home Depot und Target um eine diplomatischere Sprache. Obwohl auch sie jeweils rund 50 % ihrer Produkte importieren, hielten sich beide Unternehmen mit Aussagen zu möglichen Preiserhöhungen zurück.
Home Depot-Manager Billy Bastek erklärte, man erwarte „keine breiten Preissteigerungen“ – einige Artikel würden teurer, andere günstiger. Target-Chef Brian Cornell betonte, Preissteigerungen seien „das allerletzte Mittel“. Man wolle eher Lieferketten diversifizieren und Produktauswahl anpassen, um die Zölle abzufedern.
Hinter dieser Strategie steckt Kalkül: Anders als Walmart positionieren sich Home Depot und Target nicht als Niedrigpreisgaranten – und können so flexibler auf Marktveränderungen reagieren, ohne ihre Marke zu beschädigen.
Öffentliche Kritik wird zum Risiko
In Trumps zweiter Amtszeit hat sich die Rhetorik gegenüber Unternehmen erneut verschärft. Er attackierte Amazon-Gründer Jeff Bezos telefonisch, nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen überlegte, Zölle auf der Preisanzeige offen auszuweisen. Auch Mattel-Chef Ynon Kreiz bekam sein Fett weg, als er vor teureren Spielzeugen warnte – prompt drohte Trump mit einem 100 %-Zoll auf Mattel-Produkte.
Strategie: Preis-„Portfolios“ statt Generalanpassung
Kommunikationsberater empfehlen Unternehmen derzeit, nicht ausschließlich Zölle als Grund für Preisanpassungen zu nennen, sondern allgemein auf Marktveränderungen, Lieferkosten und Sortimentanpassungen zu verweisen. Eine sogenannte „Portfolio-Strategie“ – bei der Preise für manche Artikel steigen und für andere fallen – soll helfen, Kundentreue zu sichern.
„Kunden bleiben, wenn sie bei bestimmten Produkten günstige Preise sehen – das gibt Raum für Preisanpassungen bei anderen“, so David Garfield, Co-CEO der Beratungsfirma AlixPartners.
Wo bleibt die geballte Stimme der Wirtschaft?
Kritik gibt es mittlerweile an der Untätigkeit großer Wirtschaftsverbände. Jeffrey Sonnenfeld und Steven Tian von der Yale University fordern in einem Beitrag für das TIME Magazine mehr kollektives Handeln.
„Trump fürchtet kollektiven Widerstand. Stattdessen nutzt er Spaltung und Einschüchterung, um Rivalen gegeneinander auszuspielen“, schreiben sie. Solange Wirtschaftsorganisationen schweigen, überlässt man Trump das Spielfeld – und CEOs stehen allein im Sturm.
Fazit:
Während Trump die Zölle als patriotisches Instrument propagiert, versuchen Einzelhandelsriesen, finanzielle Schäden zu begrenzen, ohne den Präsidenten zu reizen. Doch ohne geschlossenes Auftreten der Wirtschaft droht eine Spirale aus Preisdruck, öffentlichem Zorn – und stiller Ohnmacht.
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