Heute gilt Anoka stolz als „Halloween-Hauptstadt der Welt“ – ein Ort, an dem jedes Jahr Zehntausende Menschen in Kostümen durch die Straßen ziehen, Kürbisse leuchten und Geistertouren die Besucher begeistern. Doch die berühmte Festtradition der Stadt begann einst aus purem Chaos.
Vor über 100 Jahren, im Herbst 1919, war Halloween in Anoka alles andere als ein Familienfest: Fensterscheiben wurden mit Seife beschmiert, Plumpsklos umgeworfen, Kutschen auf Hausdächer gestellt – und einmal sogar Kühe und Schweine in die Schule getrieben, die dort die Schulbücher auffraßen.
„Es war jedes Jahr schlimmer“, erzählt John Jost, ein heutiger Bewohner und Mitglied des Halloween-Komitees. „Die Stadt war im Ausnahmezustand – und die Leute sagten: Das muss aufhören.“
🧙♀️ Von der Zerstörung zur Parade
Anstatt Halloween zu verbieten, hatte der Geschäftsmann George Green eine Idee: Man solle den Jugendlichen einfach eine bessere Beschäftigung geben.
So organisierte Anoka 1920 die erste große Halloween-Parade der USA – mit Musik, Konfetti, Kostümen und Bonbons. Die Geschäfte dekorierten ihre Schaufenster, Kinder bekamen Popcorn, Erdnüsse und Süßigkeiten – und am Abend leuchtete ein riesiges Lagerfeuer über der Stadt.
Am nächsten Morgen staunte man: Es gab kaum noch Vandalismus. Der Plan war aufgegangen.
Diese Initiative wurde zum Vorbild für viele amerikanische Städte, die mit ähnlichen Problemen kämpften. Aus einem Akt der Notwehr entstand eine der ältesten und bekanntesten Halloween-Traditionen der USA.
🕯️ Wie Halloween nach Amerika kam
Der Ursprung des Festes liegt in der keltischen Tradition Samhain, die den Übergang vom Sommer zur dunklen Jahreszeit markierte. Man glaubte, in dieser Nacht sei die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten besonders dünn – Geister könnten zurückkehren.
Im 19. Jahrhundert brachten irische und schottische Einwanderer diese Bräuche in die USA – inklusive des Spaßes am Erschrecken und Streiche-Spielen. Doch aus harmlosen Späßen wurden bald gefährliche Aktionen: gestohlene Tiere, blockierte Straßen, sogar Brandstiftungen.
Anoka war eine der ersten Städte, die verstand, dass Halloween kontrollierte Freude statt Chaos braucht – ein Gedanke, der die heutige Feierkultur bis heute prägt.
🎉 Vom Chaos zur Kultur – Anoka heute
Heute, über ein Jahrhundert später, verwandelt sich Anoka mit seinen 18.000 Einwohnern jeden Oktober in ein gigantisches Halloween-Festival.
Es gibt:
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den „Big Parade of Little People“, bei dem Kinder in bunten Kostümen durch die Innenstadt ziehen,
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ein „Orange Tie Ball“ für Erwachsene,
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Kürbis-Ausstellungen, Geisterführungen, Zombie-Bars,
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und Wettbewerbe um das gruseligste Haus der Stadt.
„Die Menschen leben hier für den Oktober“, sagt Rebecca Ebnet-Desens vom Anoka County Historical Society. „Es ist reines Chaos – aber ein fröhliches.“
Selbst die Symbolfigur der Stadt – eine riesige, aus Eisen geschweißte Kürbis-Skulptur namens „Iron Jack“ – steht für diesen Stolz auf das, was aus einem Problem geworden ist: ein Markenzeichen.
👻 Von der Streiche-Nacht zum Gemeinschaftsfest
Während Halloween in den 1920er Jahren vielerorts noch für Ärger sorgte, wurde Anoka zum Vorreiter einer friedlichen, familienfreundlichen Feier. Heute kommen Besucher aus den gesamten USA – und sogar aus Deutschland oder Brasilien.
Die Erlöse aus dem Verkauf von Merchandising-Artikeln fließen in Stipendien und lokale Projekte. „Hier geht es nicht um Kommerz, sondern um Gemeinschaft“, erklärt Linda Evavold, die seit Jahren im Organisationskomitee aktiv ist. „Halloween bedeutet für uns: füreinander da sein.“
🎭 Vom Schabernack zur Seele Amerikas
Was einst eine Nacht des Unfugs war, wurde in Anoka zu einer Feier von Kreativität, Nachbarschaft und Zusammenhalt. Während in anderen Städten noch von „Devil’s Night“ und Brandstiftung die Rede war, wurde in Anoka der Wandel vollzogen: von Zerstörung zu Zusammenhalt, von Chaos zu Kultur.
Und so steht Anoka heute sinnbildlich für die amerikanische Fähigkeit, selbst aus den dunkelsten Nächten ein Fest des Lichts zu machen.
Oder, wie es John Jost sagt:
„In Anoka ist Halloween kein Tag – es ist ein Lebensgefühl.“ 🎃
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