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US-Supreme-Court prüft: Schützt das Wahlrecht Schwarze – oder benachteiligt es Weiße?

Vilkasss (CC0), Pixabay
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Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten befasst sich derzeit mit einem der bedeutendsten Bürgerrechtsfälle der letzten Jahre. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der historische Voting Rights Act – ein zentrales Gesetz zum Schutz schwarzer Wählerinnen und Wähler – in seiner derzeitigen Form verfassungswidrig sein könnte, weil er angeblich Weiße benachteiligt.

Hintergrund: Das Gesetz gegen Wahlrechtsdiskriminierung

Der Voting Rights Act von 1965 gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften der US-Bürgerrechtsbewegung. Er wurde eingeführt, um Rassendiskriminierung bei Wahlen zu verhindern – etwa durch Wahlkreiseinteilungen, die gezielt schwarze Stimmen schwächten.

Kern des aktuellen Streits ist Abschnitt 2 des Gesetzes. Er verbietet es Bundesstaaten, Wahlkreise so zuzuschneiden, dass die Stimmen von Minderheiten faktisch entwertet werden. Das betrifft vor allem den sogenannten „Gerrymandering“-Prozess, bei dem Wahlgrenzen politisch manipuliert werden.

Fallbeispiel Louisiana: Ein Drittel Schwarze Bevölkerung, aber nur ein schwarzer Wahlkreis

Ausgangspunkt des Verfahrens ist der Bundesstaat Louisiana. Nach der Volkszählung von 2020 hatte das dortige Parlament nur einen mehrheitlich schwarzen Wahlkreis geschaffen – obwohl Schwarze rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Ein Bundesgericht sah darin einen klaren Verstoß gegen den Voting Rights Act. Doch als die republikanische Mehrheit später einen zweiten schwarzen Wahlkreis einrichtete, klagten weiße Wähler – mit der Begründung, diese Änderung sei selbst „rassistische Diskriminierung“ und koste die Republikaner einen Sitz im US-Kongress.

Nun muss der Supreme Court entscheiden, ob die Schaffung von Minderheitenwahlkreisen zur Sicherung politischer Teilhabe zulässig bleibt – oder ob sie gegen das Gleichbehandlungsprinzip der US-Verfassung verstößt.

Konservative Mehrheit deutet Kurswechsel an

In der rund zweieinhalbstündigen Anhörung am 15. Oktober zeigten die konservativen Richter Sympathie für die Argumente Louisianas. Der republikanische Generalstaatsanwalt bezeichnete die bisherigen Regelungen als „unpraktikabel und verfassungswidrig“. Sie zwängen die Bundesstaaten zu einer endlosen Betonung von Rassenunterschieden, anstatt sie abzubauen.

Richter Brett Kavanaugh – dessen Stimme als entscheidend gilt – äußerte Zweifel, ob die bisherigen rassenbezogenen Ausgleichsmaßnahmen „auf unbestimmte Zeit“ fortgeführt werden sollten.

„Rassenbasierte Maßnahmen können für eine gewisse Zeit gerechtfertigt sein – aber sie sollten nicht ewig dauern“, sagte Kavanaugh.

Liberale Richter warnen vor Rückschritt in Bürgerrechten

Die drei liberalen Richterinnen und Richter, darunter Elena Kagan und Sonia Sotomayor, verteidigten den Voting Rights Act entschieden. Kagan erinnerte daran, dass der Gerichtshof vor nur zwei Jahren eine fast identische Klage aus Alabama zurückgewiesen hatte.

Sotomayor warnte, eine Einschränkung des Gesetzes würde dazu führen, dass Schwarze „praktisch nie“ eine faire Repräsentation erreichen könnten, solange sie in einem Staat nicht die Bevölkerungsmehrheit stellten.

„Das bedeutet, Schwarze hätten keine Chance – egal, wie groß ihre Zahl ist“, sagte sie.

Das Justizministerium plädiert für Anpassung statt Abschaffung

Das US-Justizministerium argumentierte, der Gerichtshof könne den bestehenden Rechtsrahmen anpassen, ohne die Schutzmechanismen völlig zu kippen. Ziel sei keine Abschaffung, sondern eine „Klarstellung“ der bisherigen Rechtsprechung aus dem Jahr 1985.

Die konservative Richterin Amy Coney Barrett fragte, ob diese Änderungen nicht als „modifizierte Anwendung“ statt als vollständige Revision verstanden werden könnten – ein Hinweis auf eine mögliche Kompromisslinie.

Mögliche Folgen: Schwächung schwarzer Repräsentation – Stärkung der Republikaner

Sollte der Supreme Court den Schutz von Abschnitt 2 stark einschränken, könnte das weitreichende politische Konsequenzen haben. Wahlrechtsgruppen schätzen, dass dadurch bis zu 27 Kongresssitze zugunsten der Republikaner neu verteilt werden könnten – 19 davon direkt durch den Wegfall von Minderheitenschutzklauseln.

Ein solcher Entscheid würde die politische Vertretung schwarzer und hispanischer Bevölkerungsgruppen in zahlreichen Bundesstaaten empfindlich schwächen – und den Einfluss der Republikanischen Partei, die derzeit nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus hält, langfristig festigen.

Symbolische Dimension: 60 Jahre Voting Rights Act

Die Debatte fällt in das Jahr des 60. Jubiläums des Voting Rights Act – ein Gesetz, das einst als Sieg der Gleichberechtigung gefeiert wurde. Für viele Bürgerrechtsorganisationen ist der aktuelle Prozess deshalb mehr als nur juristische Feinarbeit: Er steht sinnbildlich für die Frage, ob die USA ihr demokratisches Fundament schrittweise wieder aushöhlen.

Die Präsidentin des NAACP Legal Defense Fund, Janai Nelson, die die schwarzen Kläger vertritt, warnte vor einem historischen Rückschritt:

„Wenn der Supreme Court diesen Schutz schwächt, wird das katastrophale Folgen haben – für Minderheiten, für die Demokratie und für das Vertrauen in faire Wahlen.“

Urteil im Sommer 2026 erwartet

Das Verfahren Louisiana v. Callais und das damit verbundene Robinson v. Callais gelten als richtungsweisend für das künftige US-Wahlrecht. Eine Entscheidung des Supreme Court wird bis Juni 2026 erwartet.

Fazit:
Der Supreme Court steht vor einer Grundsatzentscheidung: Soll der Schutz schwarzer Wähler weiter ein zentraler Pfeiler des amerikanischen Demokratieverständnisses bleiben – oder ist das Ideal der „farbenblinden Verfassung“ wichtiger geworden?
Je nach Ausgang könnte das Urteil die politische Landkarte der USA für Jahrzehnte verändern.

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