Steve Witkoff, Sondergesandter der Vereinigten Staaten für den Nahen Osten, hat am Freitag eine von den USA unterstützte Hilfsausgabestelle im südlichen Gazastreifen besucht. Der Besuch fand inmitten einer sich zuspitzenden humanitären Krise statt, bei der laut UN-Angaben über 1.000 Palästinenser bei dem Versuch, an Nahrungsmittel zu gelangen, getötet wurden – viele davon in der Nähe solcher Ausgabestellen.
Gemeinsam mit dem US-Botschafter in Israel, Mike Huckabee, besuchte Witkoff eine von der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) betriebene Station in der Stadt Rafah. Die GHF ist eine neu gegründete Organisation, die als Alternative zur UNO fungiert, nachdem Israel der UN vorgeworfen hatte, Hilfen würden in die Hände der Hamas gelangen. Die UN verweigert die Mitarbeit mit der GHF und kritisiert deren Struktur als Verstoß gegen humanitäre Prinzipien.
Witkoff erklärte, er habe über fünf Stunden in Gaza verbracht, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen und Präsident Donald Trump darüber zu berichten. Trump hatte kürzlich öffentlich von „echtem Hunger“ in Gaza gesprochen – eine Aussage, die dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu widerspricht.
Kritik an Hilfsorganisation und Sicherheitslage
Die GHF wird zunehmend kritisiert, da trotz ihrer Präsenz die Versorgungslage kaum verbessert wurde. Augenzeugen berichten von chaotischen Szenen an den Verteilungsstellen. Die israelische Armee soll laut palästinensischen Quellen wiederholt Warnschüsse oder sogar gezielte Schüsse abgegeben haben, um Menschenmengen zu kontrollieren.
Am Freitag seien bei einem Zwischenfall nahe der von Witkoff besuchten Ausgabestelle laut dem Nasser-Krankenhaus in Khan Younis mindestens drei Menschen durch Schüsse getötet und sechs weitere verletzt worden. Die israelische Armee erklärte, sie habe lediglich Warnschüsse abgegeben, da sich Menschen einer militärischen Position genähert hätten. Ein Zusammenhang mit dem Besuch Witkoffs wurde von der US-Botschaft nicht bestätigt.
Ahmad Abu Armanah, ein Verletzter, der im Nasser-Krankenhaus behandelt wurde, sagte gegenüber CNN: „Sobald Witkoff in der Nähe war, fielen Schüsse. Überall lagen Leichen.“
Lob und Zahlen – aber auch Zweifel
Botschafter Huckabee lobte die GHF ausdrücklich. Die Organisation habe nach eigenen Angaben über 100 Millionen Mahlzeiten seit Mai verteilt. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass dies – umgerechnet auf die Bevölkerung Gazas – weniger als eine Mahlzeit pro Tag und Person über knapp sieben Wochen bedeutet. In Anbetracht der Dauer der Blockade und der prekären Lage sei das nicht ausreichend.
Ein hochrangiger Hamas-Vertreter verurteilte Witkoffs Besuch scharf. „Gaza ist kein Versuchsgelände für amerikanische PR-Fotos“, erklärte Basem Naim, ehemaliger Gesundheitsminister in Gaza.
Hintergrund: Diplomatische Neuordnung
Witkoffs Reise markiert eine Wende in der US-Nahostpolitik. Erst vergangene Woche hatte er überraschend US-Delegierte aus den Waffenstillstandsverhandlungen in Katar abgezogen und Hamas mangelnde Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen. Israel und die USA arbeiten laut Medienberichten derzeit an einem neuen gemeinsamen Konzept für Gaza.
Ein ranghoher israelischer Beamter sagte am Donnerstag: „Es entsteht ein neues Verständnis zwischen Israel und den USA: weg von einer Teilfreilassung der Geiseln – hin zu einer vollständigen Entwaffnung der Hamas und einer Demilitarisierung des Gazastreifens.“ Gleichzeitig sollen die humanitären Hilfen ausgebaut werden – parallel zu den laufenden Militäraktionen.
Hamas bekräftigte am Donnerstag seine Bereitschaft zur Fortsetzung der Verhandlungen – jedoch nur unter der Bedingung, dass sich die humanitäre Lage im Gazastreifen deutlich verbessert. „Wir benötigen eine klare schriftliche Antwort der israelischen Seite und eine massive Verbesserung der humanitären Situation“, so Basem Naim gegenüber CNN.
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