Vorsicht bei Photovoltaik-Investments: Was Verbraucher wissen sollten – Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime
Natürlich bekommen wir fast jeden Tag Anfragen zu Investmentangeboten – so auch zu Angeboten des genannten Unternehmens im Bereich Photovoltaik. Unser erster Blick geht in solchen Fällen immer ins Unternehmensregister, um zu prüfen, wie das Unternehmen wirtschaftlich dasteht. Doch hier war das nicht möglich: Das Unternehmen ist noch nicht lange genug am Markt und hat bis heute keine Bilanz hinterlegt. Zur wirtschaftlichen Situation lässt sich derzeit also nichts belastbar sagen. Grund genug für uns, den erfahrenen Rechtsanwalt Jens Reime zu bitten, sich das Angebot genauer anzusehen – und unseren Leserinnen und Lesern zu erklären, worauf sie bei solchen Geschäften grundsätzlich achten sollten.
Verbraucherjournalistin (VJ): Herr Reime, immer mehr Anbieter bewerben Photovoltaik als grüne Zukunftsinvestition mit hoher Rendite. Klingt nach einer Win-win-Situation – wie sehen Sie das aus rechtlicher Perspektive?
RA Jens Reime: Grundsätzlich ist es natürlich erfreulich, wenn Kapital in nachhaltige Projekte fließt. Aber aus Verbrauchersicht muss man ganz klar sagen: Nicht jedes grüne Investment ist automatisch sicher oder sinnvoll. Insbesondere bei jungen Unternehmen ohne veröffentlichten Jahresabschluss sollten bei Anlegern alle Warnlampen angehen.
VJ: Was genau macht solche Angebote potenziell problematisch?
Reime: Es gibt gleich mehrere Risikofaktoren. Wenn ein Unternehmen keinerlei wirtschaftliche Historie oder veröffentlichte Zahlen vorweisen kann, ist es für Investoren praktisch unmöglich, die Seriosität und Zahlungsfähigkeit einzuschätzen. Hinzu kommt, dass viele dieser Angebote komplexe juristische Konstrukte enthalten – etwa Beteiligungen an baureifen Projektrechten oder Dachverpachtungsmodellen. Ohne juristische Expertise kann man da sehr schnell den Überblick verlieren.
VJ: Die Anbieter werben mit stabilen Renditen, sicheren Pachtmodellen und staatlicher Einspeisevergütung – trügerische Sicherheit?
Reime: In vielen Fällen: Ja. Die Einspeisevergütung mag für 20 Jahre gesetzlich gesichert sein – aber das gilt nur, wenn das Projekt überhaupt umgesetzt und erfolgreich ans Netz angeschlossen wird. Gerade bei Angeboten, die in eine „baureife Projektentwicklung“ investieren, tragen Anleger unternehmerisches Risiko. Gerät das Projekt ins Stocken – etwa durch baurechtliche Hürden, Finanzierungsprobleme oder technische Verzögerungen –, ist das eingesetzte Kapital schnell gefährdet.
VJ: Was ist mit dem beliebten Modell der Dachverpachtung – klingt ja erstmal recht simpel?
Reime: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr der Teufel im Detail steckt. Wer als Investor eine PV-Anlage auf fremden Dächern finanzieren soll, ist darauf angewiesen, dass Pachtverträge rechtssicher gestaltet, Laufzeiten realistisch kalkuliert und alle baurechtlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zudem stellt sich die Frage: Wer haftet bei einem Dachschaden? Wer trägt die Wartungskosten? Wer kommt für Ertragsausfälle auf? Das sind alles Punkte, die in vielen Broschüren gar nicht oder nur oberflächlich angesprochen werden.
VJ: Und wie steht es um die versprochenen Renditen von „bis zu 8 Prozent“?
Reime: Ich rate grundsätzlich zur Skepsis, wenn mit hohen Renditen geworben wird – insbesondere dann, wenn diese angeblich ohne Risiko erreichbar sein sollen. Solche Versprechen sind in der aktuellen Zinssituation nur schwer haltbar und sollten genau nachgerechnet werden. Leider werden oft optimistische Szenarien als Standard dargestellt, ohne auf mögliche Abweichungen oder Kosten hinzuweisen.
VJ: Ihr Ratschlag an Verbraucherinnen und Verbraucher?
Reime: Lassen Sie sich nicht von grünem Marketing oder Hochglanzbroschüren blenden. Prüfen Sie immer: Wie lange gibt es das Unternehmen? Gibt es einen veröffentlichten Jahresabschluss? Wer sind die handelnden Personen, welche Erfahrungen bringen sie mit? Und ganz wichtig: Holen Sie sich rechtliche und wirtschaftliche Beratung ein, bevor Sie investieren. Bei unbekannten Start-ups ohne belegbare Historie kann selbst eine vermeintlich nachhaltige Investition zur Schuldenfalle werden.
VJ: Herr Reime, vielen Dank für Ihre offenen Worte.
Fazit für Anlegerinnen und Anleger:
Photovoltaik-Investments können sinnvoll sein – sie sind es aber nicht automatisch. Besonders bei jungen Anbietern ohne nachgewiesene Erfolgsbilanz ist Vorsicht geboten. Wer sein Geld schützen will, sollte Angebote kritisch prüfen, sich nicht auf Werbeaussagen verlassen – und im Zweifel lieber einen Fachanwalt oder unabhängigen Finanzberater hinzuziehen.
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