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Ungarn entdeckt den Kinderschutz – leider nur auf Facebook

jorono (CC0), Pixabay
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Budapest erlebte am Samstag ein seltenes Naturschauspiel: Tausende Menschen auf der Straße, die nicht für billigen Gulasch oder patriotische Großplakate demonstrierten, sondern für etwas Altmodisches – Verantwortung. Anlass war ein geleaktes Video aus einer Budapester Jugendstrafanstalt, das brutale Gewalt zeigte. Überraschend war weniger die Gewalt selbst als die Erkenntnis, dass sie offenbar jahrelang bestens bekannt war.

Oppositionsführer Peter Magyar hatte gerufen – und die Menschen kamen. Mit Kuscheltieren, Spielzeug und einer klaren Botschaft: Kinder sind keine Kollateralschäden einer autoritären Ordnungspolitik.

Ein Bericht, der zufällig vier Jahre im Schrank lag

Am Freitag veröffentlichte Magyars Partei TISZA einen Regierungsbericht aus dem Jahr 2021. Darin dokumentiert: rund 3.000 mutmaßliche Missbrauchsfälle in staatlichen Kinderheimen. Das sind mehr als 20 Prozent aller dort untergebrachten Minderjährigen – oder, anders gesagt, eine nationale Katastrophe mit Aktenzeichen.

Der Bericht war natürlich nicht geheim, sondern nur… diskret. Er wurde 2022 an Behörden weitergeleitet, „zur Unterstützung ihrer Arbeit“. Diese Unterstützung bestand offenbar darin, Ermittlungen regelmäßig einzustellen, meist wegen „Beweismangels“. Wenn niemand hinschaut, gibt es eben auch nichts zu sehen.

Orbáns Kinderschutz: höchste Priorität, tiefste Schublade

Ministerpräsident Viktor Orbán, seit 2010 ununterbrochen im Amt und seitdem ununterbrochen überzeugt von sich selbst, hatte den Kinderschutz stets zur „höchsten Priorität“ erklärt. Eine Priorität, die offenbar darin besteht, Berichte zu schreiben, wegzusperren und zu hoffen, dass niemand ein Video ins Internet stellt.

Nun zeigte sich Orbán betroffen. Das Video sei „nicht zu beschönigen“, sagte er – ein Satz, der in Ungarn inzwischen als mutige Selbstkritik gilt. Gleichzeitig erklärte er, in der betroffenen Einrichtung säßen schwere Straftäter. Ein kleines Detailproblem: Laut Recherchen von 444.hu handelt es sich um Untersuchungshäftlinge. Also Jugendliche, für die die Unschuldsvermutung gilt – ein Konzept, das in Ungarn offenbar nur noch in Lehrbüchern existiert.

Die Lösung: Mehr Polizei, weniger Sozialstaat

Orbáns Antwort auf systemischen Missbrauch ist ebenso konsequent wie vertraut: Polizei übernehmen lassen. Die Aufsicht über die Einrichtungen wird von der Sozialverwaltung an den Strafvollzug übergeben. Ordnung statt Fürsorge, Schlagstock statt Sozialarbeit – schließlich hat man mit Gefängnissen ja „Routine“.

Justizexpertinnen und -experten warnten prompt: Jugendanstalten seien keine Gefängnisse. Orbán konterte implizit mit seiner bewährten Strategie: Wenn Experten widersprechen, umso besser – dann liegt man politisch richtig.

Warum der Rücktritt längst überfällig ist

Dieser Skandal ist kein Ausrutscher, kein Einzelfall, kein bedauerlicher Fehler im ansonsten makellosen System. Er ist die logische Folge einer Regierung, die Kontrolle mit Fürsorge verwechselt, Loyalität über Aufklärung stellt und Kritik als feindlichen Akt behandelt.

Dass ein solcher Bericht vier Jahre lang unter Verschluss bleiben konnte, während Kinder misshandelt wurden, ist kein Verwaltungsversagen – es ist politisches Versagen auf höchster Ebene.

Die Demonstrierenden haben daher recht:
👉 Orbán ist gescheitert.
👉 Nicht nur moralisch, sondern strukturell.
👉 Und wer den Schutz der Schwächsten nicht gewährleisten kann, hat jedes Recht auf Macht verspielt.

Ein Rücktritt wäre kein Drama.
Er wäre das erste Zeichen von Verantwortung seit Langem.

 

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