Mit einem neuen Erlass hat US-Präsident Donald Trump Umweltvorgaben für 68 der umweltschädlichsten Kohlekraftwerke des Landes um mindestens zwei Jahre verschoben – darunter auch das Martin-Lake-Kraftwerk in Texas. Kritiker bezeichnen den Schritt als Rückschlag für die Luftreinheit und den Gesundheitsschutz, besonders in benachteiligten Gemeinden.
Gesundheitsrisiken vor der Haustür
Paulette Goree, 72, lebt im kleinen Ort Beckville in Ost-Texas, unweit des Martin-Lake-Kraftwerks. Vor jedem Schritt nach draußen prüft sie ihre Luftqualitäts-App. Wenn die Anzeige auf „Rot“ steht, bleibt sie im Haus. Ihre Familie ist gezeichnet von Atemwegserkrankungen – ihr Vater und ihre Schwester starben an Lungenerkrankungen, ihr Mann ist erkrankt, sie selbst hat Asthma.
„In unserer Gemeinde hat fast jeder irgendein Atemleiden“, sagt Goree gegenüber USA TODAY.
Die Umweltschutzbehörde EPA hatte die Counties Rusk und Panola im Vorjahr als nicht konform mit Luftreinheitsstandards eingestuft und das Kraftwerk als Hauptverursacher benannt. Betreiber Luminant Generation bestreitet diese Einschätzung, reagierte aber nicht auf konkrete Nachfragen.
Rücknahme von Umweltstandards durch die Trump-Regierung
Die unter der Biden-Regierung verschärften Vorschriften – vor allem zur Quecksilber- und Feinstaubbelastung – sollten besonders schmutzige Kohlekraftwerke wie Martin Lake zu strengeren Messungen und Reinigungsverfahren verpflichten. Diese Regeln wurden nun auf 2029 verschoben, möglicherweise sogar dauerhaft aufgehoben.
Laut einer Analyse von USA TODAY gehören viele der betroffenen Anlagen zu den größten Umweltverschmutzern des Landes. Sechs der 68 Kraftwerke rangieren unter den zehn größten Treibhausgasemittenten in den USA (Daten von 2023). Trotz früherer Verbesserungen stoßen Kohlekraftwerke weiterhin große Mengen an Schadstoffen wie Quecksilber, Schwefeldioxid und Stickstoffoxide aus – mit gravierenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Betroffene erinnern sich an bessere Zeiten
Goree erinnert sich an eine Kindheit mit Grillabenden am See, glühenden Glühwürmchen und klarer Luft. Heute meiden viele den See, und Picknicks sind selten geworden. Sie sagt: „Ich will meinen Ruhestand in Frieden verbringen – mit sauberer Luft und Wasser. Aber sie tun einfach nichts.“
Auch Haley Schulz aus Fort Bend County wurde durch persönliche Erfahrungen zur Umweltschützerin. Früher arbeitete sie in der Öl- und Gasbranche, heute engagiert sie sich für Public Citizen. Schulz lebt in der Nähe des W.A.-Parish-Kraftwerks, das ebenfalls von der Aufweichung der Regeln profitiert. Sie berichtet von jahrelangen Atemproblemen – Symptome, die ihrer Meinung nach mit der Luftqualität zusammenhängen.
Ein landesweiter Trend – mit Rückendeckung aus dem Weißen Haus
Kraftwerksbetreiber und Bundesstaaten – vorwiegend in republikanisch regierten Regionen – begrüßen den Schritt. Unternehmen wie die Tennessee Valley Authority und die Southern Company sehen darin eine Chance, Anlagen kosteneffizient weiterzubetreiben. Die neuen Vorschriften hätten nach ihrer Darstellung unzumutbare Kosten verursacht.
Laut Umweltorganisationen wie Good Jobs First haben viele dieser Betreiber in der Vergangenheit jedoch bereits Hundertmillionen-Dollar-Strafen wegen Umweltverstößen gezahlt. Beispiele: Dominion Energy ($1,2 Mrd. Vergleich 2003), East Kentucky Power ($600 Mio. in 2006), Dynegy Midwest Generation (2023, wegen Kohleasche-Verschmutzung).
Langfristiger Wandel trotz politischer Hürden
Die Bedeutung von Kohle für die Stromversorgung in den USA sinkt seit Jahren. Lag der Anteil zu Beginn der 2000er-Jahre noch bei rund 50 %, ist er 2024 auf knapp über 15 % gefallen. Neben politischen Maßnahmen ist vor allem der Preisverfall von Gas sowie der Ausbau erneuerbarer Energien für diese Entwicklung verantwortlich.
„Die Energiewende ist langfristig unausweichlich“, sagt Julie McNamara von der Union of Concerned Scientists. „Aber die Trump-Regierung tut alles, um Kohlekraft künstlich am Leben zu erhalten – auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit.“
Deregulierung auf breiter Front
Die EPA plant derzeit weitere Aufweichungen von Umweltschutzvorgaben, darunter bei Feinstaubgrenzwerten und beim Treibhausgasberichtssystem. Zugleich schlägt die Trump-Regierung eine drastische Kürzung des EPA-Budgets um 55 % vor – zurück auf das Niveau der 1980er-Jahre. Ex-EPA-Beamter Joseph Goffman warnt: „Wenn das Signal von oben lautet, dass Deregulierung gleich Gesetzestreue ist, dann wird niemand etwas unternehmen.“
Die EPA selbst verweist in einer Stellungnahme darauf, dass Ausnahmeregelungen laut Gesetz im Ermessen des Präsidenten lägen. Die Verantwortung sieht man daher nicht bei der Behörde.
Fazit: Politische Agenda versus Umwelt- und Gesundheitsschutz
Die Trump-Regierung begründet ihren Kurs mit dem Ziel, Energiekosten zu senken und nationale Sicherheit zu gewährleisten. Kritiker hingegen sehen darin eine gefährliche Abkehr vom Schutz der öffentlichen Gesundheit und eine Kapitulation vor der Kohlelobby – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt.
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