US-Präsident Donald Trump hat eine neue Runde von Strafzöllen angekündigt – doch an den Finanzmärkten bleibt die Reaktion überraschend ruhig. Anleger und Analysten sehen in Trumps Drohungen weniger eine wirtschaftspolitische Wende als vielmehr einen Teil seiner bekannten Verhandlungstaktik.
Trump kündigte am Montagabend an, erneut Strafzölle gegen zahlreiche Handelspartner zu verhängen. Zwar legte er eine Frist bis zum 1. August fest, zeigte sich aber zugleich offen für Verhandlungen. „Die Zölle sind mehr oder weniger unser finales Angebot – aber wenn jemand mit einem besseren Vorschlag anruft, hören wir zu“, erklärte Trump gegenüber Journalisten im Weißen Haus.
Märkte zeigen kaum Reaktion
Trotz der Ankündigung verzeichneten die Börsen nur leichte Ausschläge: In Asien eröffneten die Märkte überwiegend im Plus, in den USA stieg der Nasdaq leicht, während der Dow Jones und der S&P 500 kaum veränderten. Experten werten das als Zeichen dafür, dass die Märkte die Ankündigungen als „nicht bindend“ einstufen.
„Dies ist eher ein Nachbeben als ein Erdbeben wie am ‚Befreiungstag‘ vor drei Monaten“, sagte Tony Sycamore von IG Australia. Damals hatte Trump mit abrupten Zollmaßnahmen starke Kursverluste ausgelöst. Diesmal seien die Investoren vorbereitet.
Anleger setzen laut Analysten zunehmend auf die sogenannte „TACO-Strategie“ – kurz für Trump Always Chickens Out („Trump macht am Ende doch einen Rückzieher“). Die Erfahrung zeigt: Drohungen führen häufig zu Verhandlungen, nicht zu Eskalationen.
Verhandlungen mit Handelspartnern möglich
Trump verschickte kürzlich Briefe an 14 Länder, in denen er mögliche Zollsätze skizzierte. Konkrete Vereinbarungen gibt es bislang nur mit Großbritannien, China und Vietnam. Weitere Gespräche – etwa mit der EU, Indien oder Taiwan – stehen noch aus.
Ökonomen betonen, dass selektive Zölle vor allem als Druckmittel dienen sollen, um andere Länder zu schnellen Zugeständnissen zu bewegen. Dabei bleibt das Risiko für ernsthafte wirtschaftliche Folgen bisher begrenzt.
Analysten fokussieren sich auf andere Themen
An der Wall Street rückt das Thema Zölle zunehmend in den Hintergrund. Große Banken wie Goldman Sachs und Bank of America haben ihre Jahresprognosen für den S&P 500 angehoben und rechnen mit weiter steigenden Kursen. Hauptgründe seien mögliche Zinssenkungen der US-Notenbank, stabile Unternehmensgewinne und die Hoffnung auf starke Effekte durch Künstliche Intelligenz.
„Die Märkte blicken inzwischen eher auf Unternehmensdaten und KI als auf Trumps Zollrhetorik“, heißt es in einem Analystenkommentar von Barclays.
Vorsicht bleibt angebracht
Trotz der ruhigen Marktreaktionen warnen einige Stimmen vor Übermut. „Die Gelassenheit der Märkte könnte trügerisch sein“, meint Michael Wan von MUFG. „Die angekündigten Zölle ähneln stark denen vom ‚Liberation Day‘.“ Auch Sarah Bianchi von Evercore ISI rechnet damit, dass Trump seine Zollagenda bei anhaltend hohen Aktienkursen weiterverfolgen wird.
Kommende Inflationsdaten für Juni könnten weitere Hinweise darauf geben, ob die Zollpolitik bereits spürbare ökonomische Effekte zeigt.
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