Präsident Donald Trump und seine Spitzenberater rechtfertigen tödliche Militärschläge gegen mutmaßliche Drogenschmugglerboote aus Venezuela, indem sie Venezuela und kriminelle Netzwerke wie das „Kartell der Sonnen“ (Cartel de los Soles) beschuldigen, die USA mit gefährlichen Drogen zu überfluten.
„Diese Mission verteidigt unser Heimatland, entfernt Narco-Terroristen aus unserer Hemisphäre und schützt uns vor den Drogen, die unsere Bürger töten“, erklärte Kriegsminister Pete Hegseth (vormals Verteidigungsminister) am 13. November. Die Militäroperation trägt offiziell den Namen „Operation Southern Spear“.
Im August hatte die US-Regierung das Kopfgeld auf Informationen zur Ergreifung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro auf 50 Millionen Dollar verdoppelt – wegen mutmaßlichen Drogenhandels und Verbindungen zu kriminellen Gruppen. Generalstaatsanwältin Pam Bondi erklärte in einer Videobotschaft, Maduro sei „einer der größten Drogenhändler der Welt und eine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit.“
Mexiko liefert 26 mutmaßliche Kartellmitglieder an die USA aus
Am 14. August 2025 überstellte Mexiko auf Druck von Präsident Trump mehr als zwei Dutzend mutmaßliche Kartellmitglieder an die USA.
Diese Entwicklungen gelten laut Trump und seinen Regierungsbeamten als Rechtfertigung für US-Militärangriffe, bei denen in den letzten Monaten mindestens 87 Menschen getötet wurden – darunter auch zwei Männer, die nach einem Angriff am 2. September überlebten, bei dem neun weitere mutmaßliche Schmuggler starben. Trump deutete sogar mögliche Angriffe direkt auf venezolanischem Boden an.
Doch: Venezuela produziert kein Fentanyl
US-amerikanische und UN-Daten zeigen jedoch, dass Venezuela kein Produzent oder Exporteur von Fentanyl ist – einem synthetischen Opioid – und nur eine untergeordnete Rolle im Kokainhandel spielt.
„Jedes dieser Boote tötet im Durchschnitt 25.000 Menschen – manche sagen, sogar mehr“, behauptete Trump im September gegenüber US-Generälen. „Diese Boote sind vollgepackt mit weißem Pulver – meistens Fentanyl und anderen Drogen.“
Aber laut UN-Drogenbehörde (UNODC) und US-Drogenbehörden ist Mexiko der fast ausschließliche Massenproduzent und Exporteur von Fentanyl, oft hergestellt mit Vorläuferchemikalien aus China. Diese werden von mexikanischen Kartell-Chemikern zu Pillen und Pulvern verarbeitet, die für den US-Markt bestimmt sind.
Laut dem „National Drug Threat Assessment 2025“ der DEA und dem „Annual Threat Assessment“ der US-Geheimdienste sind mexikanische Kartelle, insbesondere das Sinaloa-Kartell und das Jalisco New Generation Cartel, die Hauptlieferanten illegaler Drogen – einschließlich Fentanyl.
Mexikanische Kartelle verwenden dabei häufig aus China importierte Pillenpressen, um gefälschte Medikamente mit Fentanyl oder Methamphetamin zu versetzen.
Fentanyl-Todeswelle trifft vor allem junge Menschen
Viele Opfer seien junge Menschen, die dachten, sie nähmen harmlose Freizeitdrogen oder Schmerzmittel – dabei war ein winziger, tödlicher Anteil Fentanyl enthalten, oft nicht größer als ein Reiskorn.
Venezuela und der Kokainhandel
Venezuela spielt eine Rolle im Transit von Kokain, das in Kolumbien und anderen Teilen Lateinamerikas produziert wird. Doch dieses Kokain – obwohl populär in den USA – ist für einen kleineren Teil der Überdosierungen verantwortlich.
Laut CDC starben 2023 in den USA 107.543 Menschen an Überdosen – davon 74.702 durch synthetische Opioide, meist Fentanyl. Kokainbedingte Todesfälle stiegen zwar auf 59.725 im Jahr 2023, doch in fast 70 % dieser Fälle war das Kokain mit Fentanyl versetzt.
Datenlage: Venezuela spielt nur Nebenrolle
Die UN-Drogenberichte zeigen, dass Venezuela kein primärer Ausgangspunkt für Kokainlieferungen in die USA ist. Es ist eher ein kleiner Umschlagplatz, hauptsächlich für den Transport Richtung Karibik und Europa – nicht in die USA.
Die wichtigsten Routen für Kokain führen an Venezuela vorbei – z. B. durch den östlichen Pazifik und die karibischen Seewege.
Der Bericht des US-Kongresses vom 26. August 2025 fasst zusammen: Mexiko hat seit 2019 China als Hauptquelle von illegalem Fentanyl ersetzt. Venezuela wird in den Berichten nicht einmal erwähnt.
Trumps Darstellung – und die Kritik
Trumps Kritiker werfen ihm vor, Fentanyl und Kokain bewusst zu vermischen, um sich außergewöhnliche Vollmachten zu verschaffen – vergleichbar mit Maßnahmen gegen Terrorgruppen nach dem 11. September 2001.
Trump bezeichnet Venezuela als „narkoterroristischen Staat“, dessen kriminelle Netzwerke eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellten.
Mit der Executive Order 14157 vom Januar erklärte die US-Regierung Gruppen wie „Tren de Aragua“ und das Cartel de los Soles zu ausländischen Terrororganisationen. Diese Anordnung erlaubt es, sie wie Terrorzellen zu behandeln, nicht bloß wie Drogenkartelle.
Außenminister Marco Rubio sagte am 8. August, dies ermögliche es, selbst Kokainschmuggler in kleinen Booten als bewaffnete Terroristen zu bekämpfen.
Trump sagte dazu: „Ich denke, wir werden einfach die Leute töten, die Drogen in unser Land bringen… Sie werden tot sein.“ Und weiter: „Das Land (Venezuela) wird als Nächstes dran sein.“
Was ist mit den venezolanischen Gruppen wirklich los?
Das Cartel de los Soles soll laut US-Justizministerium mit der FARC zusammenarbeiten und in Drogenschmuggel verwickelt sein. Anklagen richten sich u. a. gegen Maduro, den Ex-Vizepräsidenten Tareck El Aissami, Diosdado Cabello Rondon und Hugo „El Pollo“ Carvajal Barrios.
Tren de Aragua, oft von Trump als Symbol des Bösen dargestellt, ist laut US-Behörden in Erpressung, Menschenhandel, Waffenvergehen und Drogenhandel verwickelt. Trump nutzte diese Darstellung auch, um Massenabschiebungen zu rechtfertigen.
Doch internationale Drogenberichte belegen nicht, dass Tren de Aragua maßgeblich an Kokainexporten in die USA beteiligt ist. Ob die Gruppe mit oder gegen Maduro arbeitet, ist ebenfalls unklar.
Maduro selbst erklärte 2024, dass Venezuela die Tren de Aragua „ausgelöscht“ habe. Sein Außenminister Yván Gil bezeichnete die Gruppe als „Fiktion der internationalen Medien“.
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