In der Türkei geht’s diesen Sommer heiß her – nicht nur am Grill, sondern auch auf der Waage. Das Gesundheitsministerium hat unter dem charmant-motivierenden Motto „Lern dein Idealgewicht kennen, lebe beschämt“ – pardon – „lebe gesund“ eine landesweite Aktion gestartet: Bürgerinnen und Bürger werden auf offener Straße gewogen.
Ob Einkaufsstraße, Bushaltestelle oder Volkspark – überall lauern freundliche Menschen in weißen Kitteln mit Klappwaage, bereit, Körpergröße, Gewicht und Body-Mass-Index (BMI) zu erfassen. Die Aktion läuft bis zum 10. Juli – oder bis alle Fluchtversuche erfolglos waren.
Wiegen mit Witz – oder doch Würdelosigkeit?
Gesundheitsminister Kemal Memisoglu spricht von einer „Aufklärungskampagne“. Kritiker nennen es eher „Public Fat Shaming Light“. Ziel sei es laut Ministerium, „das Bewusstsein für Übergewicht zu schärfen“ – offenbar durch maximalen Überraschungsmoment beim Wochenmarktbesuch.
Einige Passanten berichten von einem neuen Volkssport: „BMI-Bingo“, bei dem man raten darf, welcher Umstehende als nächstes aufgerufen wird. Andere verstecken sich vorsichtshalber in Kebabbuden.
Und was passiert nach der Waage?
Wer einen BMI über 25 hat, wird höflich, aber bestimmt, in ein Gesundheitszentrum „weiterverwiesen“ – für eine „freundliche“ Diätberatung, inklusive Broschüre, Gespräche mit Ernährungsexperten und eventuell einem sanften Blick, der „Hör auf mit Börek“ sagt, ohne es auszusprechen.
Muhammed Emin Demirkol, Direktor für öffentliche Gesundheit, betont: „Sechs von zehn Menschen in der Türkei sind übergewichtig oder adipös. Die anderen vier sind vermutlich schon weggerannt, bevor wir sie wiegen konnten.“
Fazit: Wiegen oder Weglaufen
Die Idee: noble Absicht, fragwürdige Umsetzung. Während WHO und Fachwelt den BMI als medizinisches Maß längst infrage stellen, macht man ihn in der Türkei zur Straßenattraktion mit Fremdscham-Faktor.
Manche Bürger scherzen bereits: „Wenn ich die Wahl habe zwischen der Steuererklärung und der Straßenwiegung – ich nehm die Steuer.“ Andere gründen Selbsthilfegruppen wie „Waage? Nein danke!“ oder lassen sich vorsorglich auf High Heels vermessen – in der Hoffnung auf bessere Proportionen.
Nächstes Jahr vielleicht neu: Bluthochdruck-Erkennung per Megafon und Schrittzähler-Polizei im Einkaufszentrum.
Bleibt nur eine Frage offen:
Wann kommt das Erdogan-Diätbuch mit dem Titel „Wieg dich frei“?
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