Redaktion: Herr Reime, aktuell werden Diamanten als krisensicherer Wertspeicher und Ergänzung zu Gold stark beworben. Was halten Sie als Anlegeranwalt davon?
RA Jens Reime: Zunächst: Diamanten sind faszinierende Edelsteine mit einer langen Geschichte. Aber das, was wir hier sehen, ist keine nüchterne Produktinformation, sondern hoch-emotionale Krisenrhetorik, die gezielt auf Angst setzt. Begriffe wie „Währungsreform“, „Enteignung“ oder „digitaler Euro“ sollen Handlungsdruck erzeugen – das ist aus meiner Sicht sehr grenzwertig.
Redaktion: Die Anbieterin spricht davon, dass man mit Diamanten den Wert eines Hauses „unauffällig transportieren“ kann. Ist das realistisch?
Reime: Technisch ja – man kann große Werte in kleiner Form transportieren. Aber: Der Markt für Anlagediamanten ist äußerst intransparent. Es gibt keine offiziellen Börsenpreise, wie bei Gold. Der Wiederverkaufswert hängt von wenigen Händlern, der Nachfrage und oft vom Zufall ab. Und genau hier liegt das Problem: Wer einen Diamanten in der Krise zu Geld machen will, wird es deutlich schwerer haben als bei liquiden Sachwerten.
Redaktion: Im Online-Training wird versprochen, dass man sein Vermögen ohne Strom, Internet oder Banken schützen kann. Klingt fast wie ein Survival-Kit für Geld…
Reime: Das ist Marketing, kein Finanzrat. Natürlich ist es richtig, sich mit Krisenszenarien auseinanderzusetzen. Aber ich warne davor, aus Angst heraus Vermögensentscheidungen zu treffen. Diamanten sind keine Reservewährung, sie sind ein Nischenprodukt mit erheblichem Handelsrisiko und ohne gesetzlich geregelte Preistransparenz.
Redaktion: Es wird darauf hingewiesen, dass keine Finanzberatung stattfindet. Wie bewerten Sie das juristisch?
Reime: Das ist ein wichtiger Punkt. Indem sich der Anbieter von einer Finanzberatung distanziert, schützt er sich rechtlich. Aber für Laien ist das kaum erkennbar. Viele Teilnehmer glauben, eine Empfehlung zu erhalten. Wenn dann nach einem teuren Kauf später keine Liquidität vorhanden ist, fühlen sie sich betrogen – rechtlich wird es dann aber schwierig, da sie formell „nur Ware“ gekauft haben.
Redaktion: Das Geschäftsmodell verspricht „Schutz vor Zugriffen und Enteignung“. Ist das realistisch?
Reime: Das ist eine gefährliche Pauschalaussage. Niemand kann sicher sagen, ob Diamanten in einer Extremsituation nicht doch betroffen wären – z. B. durch Ausfuhrverbote, Kontrollen oder Handelsbeschränkungen. Außerdem: Enteignungsschutz ergibt sich in Deutschland aus dem Grundgesetz – nicht durch Edelsteine. Diese Narrative bauen ein verzerrtes Bild von Sicherheit auf.
Redaktion: Was sagen Sie zu den Kundenbewertungen, die durchweg „sehr gut“ sind?
Reime: Solche Bewertungen wirken zunächst vertrauenswürdig, aber man sollte vorsichtig sein. Oft stammen sie aus stark kuratierten Quellen, ohne echte Nachprüfbarkeit. Und: Zufriedenheit mit der Abwicklung heißt noch lange nicht, dass es eine gute Investition war – das zeigt sich oft erst Jahre später, beim Verkauf.
Redaktion: Wie sollten Anleger mit Interesse an Diamanten vorgehen?
Reime: Wer sich für Diamanten interessiert, sollte sich unabhängig beraten lassen – idealerweise von einem Finanzberater mit Zulassung oder von Verbraucherzentralen. Niemals sollte man sein gesamtes Vermögen in solche Produkte stecken. Eine Beimischung kann für sehr vermögende Anleger interessant sein – aber nur mit klarem Exit-Plan und vollem Bewusstsein der Risiken.
Redaktion: Fazit?
Reime: Diamanten sind kein Zaubermittel gegen den Weltuntergang. Wer mit Angst verkauft, verkauft selten langfristigen Wert. Anleger sollten sich nicht blenden lassen, weder von Glanz noch von emotionalen Versprechen. Und wer glaubt, er könne mit einem Diamanten in der Tasche durch die Krise marschieren, könnte am Ende auf einem schönen, aber wertlosen Stein sitzen bleiben.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre Einschätzungen.
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