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Tourismus am Rand der Welt: Abenteuer mit Schattenseiten

mostafa_meraji (CC0), Pixabay
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Von Marokkos Wüstencamps über Antarktis-Kreuzfahrten bis zu Weltraumflügen – die Reisebranche entdeckt zunehmend extreme und abgelegene Orte für ein erlebnisorientiertes Publikum. Besonders im Trend: sogenannter Abenteuertourismus, der laut einer Analyse des Instituts Grand View Research von 2025 bis 2030 ein jährliches Wachstum von 16,8 Prozent erfahren soll. Angespornt durch Social Media, das Erlebniswelten statt Reiseziele verkauft, zieht es immer mehr Menschen in Regionen, die einst Expeditionsreisenden oder Wissenschaftlern vorbehalten waren.

Jüngstes Beispiel: Der medienwirksame Kurztrip von Popstar Katy Perry und fünf weiteren Frauen ins All mit Blue Origin. Der Flug kostete Millionen Dollar, stieß jedoch wegen seines gewaltigen CO₂-Ausstoßes auf Kritik. Weltraumtourismus markiert dabei die Spitze eines Trends, der zunehmend auch irdische Randgebiete betrifft. Ob Besteigungen des Mount Everest, Dschungelwanderungen oder Antarktis-Expeditionen – Abenteuerlustige suchen das Extreme. So wurde in der Antarktis zuletzt ein Besucherrekord verzeichnet, begleitet von Warnungen aus der Forschung vor schmelzenden Eisflächen durch Kreuzfahrtemissionen.

Historisch gesehen begann der Trend zur Abenteuerreise im 19. Jahrhundert mit der Erschließung der Alpen durch britische, deutsche und russische Bergsteiger. Heute dient der Abenteuerurlaub oft als Simulation von Grenzerfahrungen – klimatisierter Luxus inklusive. In marokkanischen Wüstencamps etwa gehören Duschen und Spültoiletten zum Standard, während gleichzeitig Quads durch die Dünen rasen. Wirtschaftsgeograf Maximilian Benner betont: Vor allem An- und Abreise bestimmen die ökologische Bilanz. Besonders der Kreuzfahrttourismus, etwa in Grönland, sei klimapolitisch problematisch und bringe kaum Wertschöpfung für die lokale Bevölkerung.

Ein weiterer Aspekt sind touristisch inszenierte Grenzerfahrungen. Im kolumbianisch-panamaischen Dschungel oder an der US-mexikanischen Grenze können zahlungskräftige Reisende „auf den Spuren von Migranten“ wandeln – ein Trend, der im Dokumentarfilm „Nacht der Kojoten“ von Clara Trischler aufgegriffen wird. Ehemals migrierte Dorfbewohner inszenieren hier Fluchterlebnisse für Touristinnen und Touristen. Trischler sieht darin zwar zunächst ein „geschmackloses“ Spektakel, erkennt aber auch eine Form von Selbstermächtigung durch Erzählhoheit.

So bleibt die Frage, wie weit dieser Drang nach Erlebnissen abseits der Komfortzone noch gehen kann. US-Firma Above Space etwa plant bereits ein Weltraumhotel. Für Benner ist das eine neue Eskalationsstufe in Sachen CO₂-Emissionen. Während sich Touristen zunehmend in die Fußstapfen kolonialer Entdecker begeben, bleibt der ökologische und gesellschaftliche Preis hoch. Der Wunsch, Abenteuer zu erleben, führt nicht selten zu einer paradoxen Realität: dem inszenierten Ausnahmezustand inmitten perfekt geplanter Reisen.

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