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Tödlicher Hustensaft: Indiens wachsende Krise mit verunreinigten Medikamenten fordert erneut Kinderleben

jigneshsolanki (CC0), Pixabay
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In Indien erschüttert erneut eine Serie von Kindstoden durch verunreinigten Hustensaft das Land – ein tragisches Déjà-vu. In einer Kleinstadt im Bundesstaat Madhya Pradesh starben Anfang September mindestens elf Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren, nachdem sie einen gängigen Hustensirup eingenommen hatten.

Zunächst tappten die Gesundheitsbehörden im Dunkeln. Sie untersuchten Trinkwasser, Nahrung und sogar Mückenstiche als mögliche Ursachen, bevor sich die schockierende Wahrheit herausstellte: Die Nieren der Kinder hatten versagt – verursacht durch eine massive Vergiftung.

Ein Labor im südindischen Chennai bestätigte wenig später den Verdacht: Der Hustensirup enthielt 48,6 Prozent Diethylenglykol, ein hochgiftiges Industrie-Lösungsmittel, das in Arzneimitteln nichts zu suchen hat. Der Stoff wird häufig in Frostschutzmitteln oder Lacken verwendet – bereits geringe Mengen können zu akutem Nierenversagen führen.

Wiederkehrende Tragödien

Die Todesfälle in Madhya Pradesh sind kein Einzelfall. In Rajasthan, einem benachbarten Bundesstaat, starben kurz darauf zwei Kleinkinder nach der Einnahme eines lokal hergestellten Dextromethorphan-Sirups, eines Hustenstillers, der für sehr junge Kinder als ungeeignet gilt.

Solche Vorfälle ziehen sich durch Indiens jüngere Geschichte. Immer wieder kommt es zu Massenvergiftungen durch verunreinigte Hustensäfte. Bereits 2019 und 2020 starben im nordindischen Jammu mindestens zwölf Kinder unter fünf Jahren – mutmaßlich ebenfalls nach der Einnahme kontaminierter Sirupe.

Auch im Ausland haben indische Medikamente Schlagzeilen gemacht:

  • 2023 wurden indische Hustensäfte mit Diethylenglykol mit dem Tod von 70 Kindern in Gambia und 18 Kindern in Usbekistan in Verbindung gebracht.

  • In allen Fällen versprach die Regierung Reformen und schärfere Kontrollen – doch die Probleme bestehen fort.

Systemversagen im Arzneimittelmarkt

Indien ist einer der größten Arzneimittelproduzenten der Welt – doch das System gilt als zersplittert und schwer kontrollierbar. Hunderte kleine Hersteller produzieren billige, oft unzureichend geprüfte Medikamente, die ohne Rezept frei verkauft werden.

Kritiker werfen den Behörden mangelnde Aufsicht und fehlende Qualitätskontrollen vor. Nach jedem Skandal werden Maßnahmen angekündigt, doch kaum umgesetzt. Auch die indische Arzneimittelaufsicht (CDSCO) steht wegen schleppender Reaktionen und fehlender Transparenz immer wieder in der Kritik.

Regierung reagiert spät

Nach den jüngsten Todesfällen ordnete das Gesundheitsministerium die Beschlagnahmung der betroffenen Hustensäfte, ein Verkaufsverbot und eine Untersuchung an. Zudem forderte das Ministerium Ärzte auf, „rationell mit Hustenmitteln umzugehen“ – ein indirekter Hinweis darauf, dass viele dieser Medikamente übermäßig und unkritisch verschrieben werden.

Ein bekanntes, ungelöstes Problem

Neben den toxischen Inhaltsstoffen wird in Indien auch der Missbrauch von Hustensäften mit Codein – einem leichten Opiat – zunehmend zum Problem. Solche Mittel werden in hohen Dosen konsumiert, um Rauschzustände zu erzeugen, und führen zu Abhängigkeit und Gesundheitsrisiken.

Für Familien wie die von Govind Ram aus Jammu, der 2020 seine dreijährige Tochter verlor, ist die wiederkehrende Krise ein nicht endender Albtraum. „Wie viele Kinder müssen noch sterben, bevor jemand Verantwortung übernimmt?“, fragte er im Gespräch mit lokalen Medien.

Fazit

Die jüngsten Fälle zeigen erneut, dass Indiens Medikamentenmarkt an systemischen Schwächen leidet. Zwischen mangelhafter Aufsicht, billiger Massenproduktion und korruptionsanfälligen Strukturen verlieren immer wieder die Schwächsten ihr Leben – Kleinkinder, die auf Heilung hoffen und den Tod finden.

Ohne konsequente Regulierung, verpflichtende Qualitätsprüfungen und internationale Kontrolle droht sich die Tragödie weiter zu wiederholen – mit fatalen Folgen für das Vertrauen in die indische Pharmaindustrie.

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