Nach dem qualvollen Tod einer 84-jährigen Frau in Dölsach (Bezirk Lienz) hat das Landesgericht Innsbruck am Dienstag ihre Tochter (59) und ihren Enkel (31) wegen grob fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Beide erhielten fünf Monate bedingte Haft, zusätzlich wurden Geldstrafen verhängt – 960 Euro für die Mutter, 1.200 Euro für den Enkel. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Eine Woche hilflos am Küchenboden
Die betagte Frau war im Mai in der gemeinsamen Wohnung gestürzt und konnte sich nicht mehr selbst aufrichten. Eine Woche lang lag sie laut Gerichtsunterlagen auf dem Küchenboden, bevor sie an Dehydrierung starb. Laut den Ermittlungen blieb ihr Zustand für Tochter und Enkel sichtbar – dennoch riefen sie keine Hilfe.
Die Seniorin sei in ihren eigenen Exkrementen gelegen, berichtete die Staatsanwältin. Der hygienische Zustand sei „katastrophal“ gewesen. Die Obduktion ergab, dass die Frau letztlich verdurstete.
„Sie wollte in Ruhe gelassen werden“
Vor Gericht bestritten beide Angeklagte die Schuld. Die Tochter sagte, sie habe ihre Mutter gefragt, ob sie Hilfe wolle, diese habe jedoch abgelehnt. „Sie wollte einfach in Ruhe gelassen werden“, so die 59-Jährige. Sie habe Essen und Trinken gebracht, die Mutter habe aber kaum mehr etwas zu sich genommen.
Auch der Enkel erklärte, die Großmutter habe „keinen Lebenswillen mehr“ gezeigt und nicht über Schmerzen geklagt. Man habe versucht, sie gemeinsam auf den Diwan zu heben, sei aber gescheitert und habe ihr stattdessen eine Matratze hingelegt.
Staatsanwältin wirft „fehlende Fürsorge“ vor
Die Staatsanwältin bezweifelte die Darstellung der Familie. „Die Frau ist verdurstet – das spricht gegen jede ausreichende Fürsorge“, sagte sie in ihrem Plädoyer. Sie verwies auf den massiven körperlichen Verfall und die Spuren am Körper der Verstorbenen.
Die Verteidigung hielt dagegen, Mutter und Sohn hätten „nach bestem Wissen“ gehandelt und den Wunsch der alten Frau respektiert, keine Rettung zu holen.
Gericht: „Schuld durch Unterlassen“
Der Schöffensenat folgte schließlich weitgehend der Anklage, allerdings in einem milderen Tatbestand. Beide Angeklagten seien nicht aktiv gewalttätig geworden, hätten jedoch durch ihr Unterlassen eine tödliche Situation zugelassen.
Die Richterin betonte, es sei ihre Pflicht gewesen, „spätestens nach ein bis zwei Tagen Hilfe zu holen“. Dass die Frau starb, weil ihr niemand zu trinken gab oder ärztliche Hilfe holte, sei „eine vermeidbare Tragödie“.
Mit dem Schuldspruch und der bedingten Strafe will das Gericht laut Urteilsspruch „einen Denkzettel, aber auch eine Chance zur Bewährung“ setzen.
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