Wenn man in Deutschland heutzutage versucht, europäisches Recht durchzusetzen, muss man offenbar mit allem rechnen – sogar mit dem Vorwurf des Vaterlandsverrats. So könnte man zumindest die Reaktionen auf Sven Giegolds jüngste Aktion interpretieren. Der Grünen-Vize, offensichtlich frisch inspiriert von Don Quijote, zieht gegen die deutschen Grenzkontrollen zu Felde. Sein Gegner: nicht etwa eine Windmühle, sondern der deutsche Staat höchstpersönlich.
Schmuggelt Giegold die EU durch die Hintertür ein?
Giegold fordert in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nichts Geringeres als eine Strafe für Deutschland. Warum? Weil hier angeblich europäisches Recht gebrochen wird – durch die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen. Laut Giegold könnte es schließlich nicht sein, dass die neue Bundesregierung mit einer ihrer ersten Amtshandlungen gegen die EU-Grundprinzipien verstößt.
Da kann man schon mal kurz durchatmen und fragen: Hat da jemand die Grünen versehentlich in die Opposition gewählt? Während Innenminister Dobrindt (CSU) die Rückweisungen als „Anwendung nationalen Rechts“ verteidigt, hält Giegold dagegen: „Nein, liebe Leute! So geht das nicht! Europa zuerst!“
Grüne Mission: Deutschland vor den europäischen Pranger stellen
Der passionierte Europäer Giegold lässt keinen Zweifel daran, dass die EU-Kommission hier handeln muss. Schließlich hat er aus seiner Zeit im Europaparlament noch die goldene Regel im Kopf: Wenn es irgendwo nach Souveränität riecht, dann ruft man am besten Brüssel zur Hilfe.
Während in Berlin noch die Sektkorken der neuen Koalition knallen, möchte Giegold Deutschland schon auf die Anklagebank zerren. Es ist eine Art politischer Frühjahrsputz: Weg mit dem nationalen Staub, her mit der reinen Lehre der EU!
Von der Leyen als Oberlehrerin?
Die EU-Kommission wurde laut Giegold gegründet, um die Einhaltung europäischen Rechts durch alle Mitgliedstaaten zu überwachen. Dass die EU damit auch Deutschland an die Kandare nehmen soll, wenn es um die „unsachgemäße“ Anwendung von Grenzkontrollen geht, ist für ihn selbstverständlich.
In einer Mischung aus Heldenmut und kindlicher Naivität hofft Giegold wohl darauf, dass Ursula von der Leyen ihm postwendend antwortet: „Lieber Sven, danke für den Hinweis. Wir schicken sofort eine Kommission an die Grenze. Und keine Sorge – die Verstöße kommen natürlich ins EU-Strafregister!“
Die Frage aller Fragen: Wen will Giegold retten?
Während die Grünen den moralischen Zeigefinger heben, fragt sich der Rest der Republik: Worum geht es hier eigentlich? Um die Sicherung der Grenzen? Um die Einhaltung europäischer Werte? Oder schlicht um die Profilierung eines Politikers, der es nicht erträgt, dass die Bundesregierung pragmatisch handelt?
Polnische Begeisterung und deutsche Verwunderung
Nicht nur die Bundesregierung, auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk schüttelt bei Giegolds Vorstoß den Kopf. Offenbar sieht er in der deutschen Grenzpolitik kein größeres Problem – zumindest nicht im Vergleich zu anderen europäischen Herausforderungen.
Wahrscheinlich wird man bald auch Giegold an der Grenze sehen – wie er mit einem großen Transparent „Grenzkontrolle ist europafeindlich!“ wedelnd über die Wiesen stapft. Vielleicht trifft er dort auf Bundeskanzler Merz, der ihm erklärt, dass man gute Nachbarschaftspolitik manchmal nicht in Brüssel, sondern vor Ort macht.
Sven Giegold: Der mutige Ritter oder der verlorene Europäer?
Eines ist sicher: Mit seiner Forderung nach einer EU-Strafe gegen Deutschland hat Giegold wieder einmal gezeigt, dass er vor kontroversen Statements nicht zurückschreckt. Doch während er den Zeigefinger hebt und an das europäische Gewissen appelliert, scheint ihm eines zu entgehen: Manchmal ist es klüger, miteinander zu reden, anstatt sich gegenseitig vor die europäische Tribunal zu zerren.
Vielleicht sollte Giegold in einer ruhigen Minute noch mal überlegen, ob sein Feldzug gegen die deutsche Grenzpolitik wirklich so europäisch ist – oder ob er sich in seinem Eifer nicht doch ein wenig verrannt hat.
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