Nach über sechs Wochen Stillstand kehrt das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten zurück in den Arbeitsmodus – und das in einer politischen Landschaft, die sich dramatisch verändert hat.
Seit der letzten Abstimmung am 19. September sind die Welt und das politische Washington nicht stehen geblieben: Donald Trump vermittelte einen Waffenstillstand im Nahen Osten, reiste nach Asien und zurück, und sogar eine Baseball-Weltmeisterschaft wurde entschieden. Doch das Repräsentantenhaus blieb geschlossen – eine Taktik des republikanischen House Speakers Mike Johnson, die seine Loyalität zu Trump und dessen Stil des politischen Machtspiels widerspiegelt.
Ein symbolischer Neustart am 43. Tag des Shutdowns
Am Mittwoch soll das Repräsentantenhaus nun über ein Gesetz des Senats abstimmen, das den Regierungsstillstand beendet. Vorausgesetzt, die Abgeordneten schaffen es angesichts chaotischer Flugpläne überhaupt rechtzeitig nach Washington. Ein Abgeordneter, Derrick Van Orden aus Wisconsin, nimmt sogar seine Harley-Davidson – trotz Eiseskälte – um „seine Pflicht zu erfüllen“.
Mike Johnson konnte durch den Sitzungsstopp öffentliche Kritik innerhalb seiner Partei zunächst unterdrücken. Doch mit der Rückkehr nach Washington droht ein offenes Aufflammen innerparteilicher Spannungen, vor allem angesichts der knappen republikanischen Mehrheit.
Shutdown-Ende mit politischem Risiko
Gelingt es Johnson, ein Ende des Shutdowns durchzusetzen, könnte er sich als Krisenmanager profilieren – auch wenn der Preis für den Stillstand hoch war: über eine Million Bundesangestellte ohne Gehalt, Millionen Bürger ohne Sozialleistungen.
Doch mit dem Neustart kommen neue Herausforderungen: Unter anderem steht die Frage im Raum, ob die im Shutdown ausgelaufenen Zuschüsse für Obamacare-Versicherte verlängert werden. Viele Republikaner lehnen das ab – doch vulnerable Mandatsträger aus moderaten Bezirken fordern genau das. Johnson steht damit zwischen den Fronten: Verliert er konservative Stimmen, wackelt sein Amt; blockiert er das Anliegen, droht ein parteiinterner Aufstand.
Ein Gesetz könnte mit Hilfe der Demokraten durchkommen – aber das wäre politisch gefährlich für den Speaker.
Rückkehr der ungelösten Konflikte
Mit der Wiederaufnahme der Arbeit wird Johnson auch zur Amtseinführung der Demokratin Adelita Grijalva gezwungen – die bereits im September gewählt wurde. Ihre Stimme könnte entscheidend sein für einen Antrag, der das Justizministerium zur Veröffentlichung der Epstein-Akten zwingen soll – ein Thema, das während des Shutdowns weitgehend verdrängt war, aber das Weiße Haus schon länger belastet.
Der Preis des politischen Stillstands
Die Entscheidung, das Repräsentantenhaus geschlossen zu halten, hatte keine verfassungsrechtliche Grundlage. Der Senat tagte weiter, stimmte über Haushaltspläne ab und setzte damit ein klares Signal. Das Verhalten des Repräsentantenhauses hingegen verstärkte den Eindruck einer Selbstentmachtung des Parlaments, wie sie bereits unter Trump häufiger zu beobachten war.
Obwohl Johnson als politisches Leichtgewicht gestartet ist, hat er sich taktisch geschickt behauptet – doch seine enge Anbindung an Trump lässt viele Kritiker ihn als verlängerten Arm des Ex-Präsidenten im Kongress sehen.
Spaltung auch innerhalb der Republikaner
Beim ersten offiziellen Treffen nach der Pause schlug die Stimmung in der House Rules Committee sofort um: Die republikanische Vorsitzende Virginia Foxx warf den Demokraten vor, sich mit ihren Forderungen blamiert zu haben. Ihr demokratischer Gegenpart Jim McGovern konterte sarkastisch mit einem „Lange nicht gesehen“ und kritisierte das Fernbleiben der Republikaner als eines der peinlichsten Kapitel in der Geschichte des US-Kongresses.
Obamacare als Zankapfel
Im Zentrum der nächsten politischen Kämpfe steht die Frage, ob und wie die Zuschüsse für Obamacare-Versicherungen verlängert werden. Diese sind für Millionen Amerikaner derzeit entscheidend – viele stehen vor der Wahl, sich zu verschulden oder auf Versicherungsschutz zu verzichten.
Mike Lawler, ein republikanischer Abgeordneter aus New York, forderte erneut eine Verlängerung um ein Jahr – aber auch Reformen des gesamten Systems. Doch Johnson zögert: „Wenn man Versicherungen subventioniert, erhöhen sie einfach die Preise noch weiter,“ erklärte er.
Ein gefährliches Spiel mit der Wählerschaft
Viele Republikaner sind sich bewusst: Sollte die Partei für steigende Prämien verantwortlich gemacht werden, könnte der politische Preis hoch ausfallen. Und selbst Johnsons eigene Abgeordneten wie Tim Burchett fordern eine echte Reform: „Die Versicherer haben das System durch ihre Gier ruiniert. Wir sollten den Patienten und Ärzten das Wort geben.“
Demokraten gespalten – aber geschlossen gegen Trump
Die Demokraten wiederum kehren mit einer gewissen Frustration zurück: Viele sehen das Abstimmungsverhalten ihrer Kollegen im Senat während des Shutdowns als Verrat an der Basis, während sie selbst weiterhin an die Idee glauben, dass ein Präsident, der Millionen leiden lässt, irgendwann einknickt – auch wenn diese Hoffnung bisher nicht zur Realität geworden ist.
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