Die Alpen erleben ein neues Phänomen: Wandernde Selbstdarsteller, Gipfel-Selfies statt Sicherheitsbewusstsein, und Outdoor-Abenteuer mit Google Maps als einziger Orientierungshilfe. Der erfahrene Bergsteiger und Natur-Experte Thorsten Kutschke schlägt Alarm – und zwar deutlich. Immer mehr Menschen seien leichtsinnig, überfordert und vollkommen unvorbereitet in der Natur unterwegs.
„Viele sind zwar mit teurer Ausrüstung unterwegs, aber ohne jede Erfahrung“, so Kutschke im Interview mit dem MDR. Die modernen Alpinisten hätten zwar wasserdichte Jacken und Smartwatches, aber „der gesunde Menschenverstand bleibt oft im Tal“.
Mit Handy aufs Hochgebirge – was soll da schon schiefgehen?
Die neue Generation der Freizeit-Bergsteiger verlässt sich lieber auf Navigations-Apps als auf Karte, Kompass oder schlichtes Urteilsvermögen. Das Problem: Kein Netz, kein Wissen – und plötzlich kein Weg mehr zurück. „Selbst im Hochgebirge vertrauen manche nur ihrem Handy. Wenn der Akku leer ist, wird’s schnell lebensgefährlich“, warnt Kutschke.
Oft seien es die vermeintlich harmlosen Ausflüge, die böse enden. Tagestouren ohne Wettercheck, Wanderungen in Jeans und Turnschuhen, Gipfelversuche bei aufziehenden Gewittern. Und immer häufiger müssen Bergretter ausrücken, um Menschen zu bergen, die sich schlicht überschätzt haben.
Klimakrise als zusätzlicher Risikofaktor
Doch selbst erfahrene Bergsteiger stehen vor neuen Herausforderungen: Die Klimakrise verändert das Gebirge rasant. „Steinschläge, abrutschende Hänge, unberechenbares Wetter – die Berge sind heute instabiler als je zuvor“, erklärt Kutschke. Durch das Schmelzen des Permafrosts verlieren viele Felsen ihren Halt. Was gestern noch sicher war, kann morgen schon brechen.
Die Natur zeigt deutlich, dass sie sich nicht zähmen lässt – schon gar nicht von Freizeitwanderern mit Action-Cams und Energy-Drinks.
Tragödien nehmen zu
Erst am Wochenende wurde der Preis der Sorglosigkeit wieder sichtbar: Fünf Bergsteiger starben in Südtirol, als eine Schneelawine sie überraschte. Trotz Warnungen waren sie in gefährlichem Gelände unterwegs – ein tragischer, aber symptomatischer Fall.
„Viele Menschen unterschätzen die Berge völlig“, sagt Kutschke. „Das ist kein Freizeitpark, kein Abenteuer-Spielplatz und schon gar kein Ort für Likes und Hashtags.“
Zwischen Demut und Draufgängertum
Der Outdoor-Experte fordert mehr Aufklärung und Respekt vor der Natur – nicht nur durch Wandervereine, sondern auch durch Medien und Schulen. „Wenn man in die Berge geht, sollte man wissen, was man tut – und was man besser lässt.“
Sein Appell ist klar:
„Die Berge sind wunderschön – aber sie verzeihen keine Dummheit. Wer da oben lebt oder arbeitet, weiß das. Wer nur fürs Selfie kommt, lernt es oft auf die harte Tour.“
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