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PowerPoint trifft Pulverfass: US-Beratungsfirma BCG stolpert in Gazakrise

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Sie kamen mit Flipcharts, gingen mit Rücktritten: Die renommierte US-Beraterfirma Boston Consulting Group (BCG) wollte eigentlich nur „ein bisschen helfen“. Heraus kam jedoch ein PR-GAU historischen Ausmaßes – inklusive Rücktritten, Empörung, Hunger, Leichen und einem zerschossenen Ruf.

Was war passiert? BCG hatte sich im Herbst 2023 in den Gazastreifen gewagt – nicht etwa mit Schutzwesten oder Sanitätszelten, sondern mit Excel-Tabellen und Machbarkeitsstudien. Die Mission: Gründung der „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF), einer Hilfsorganisation mit PR-Wurzeln, US-Sicherheitsfirmen und israelischer Bewachung. Das klingt nicht nur wie ein Widerspruch in sich – es wurde auch einer.

Denn wo BCG Gantt-Diagramme sah, sahen internationale Beobachter Zwangslagen, Hunger, Schüsse – und eine Stiftung, bei deren Essensverteilungen seit Ende Mai laut UNO mindestens 615 Menschen getötet wurden. „Die humanitäre Lage ist katastrophal“, sagte die UNO. „Bitte schauen Sie in unsere Prozessunterlagen“, sagte BCG.

Topmanager fallen, Excel bleibt

Als schließlich bekannt wurde, dass zwei BCG-Topmanager nicht nur die Gründung von GHF begleitet, sondern auch munter an einem Finanzplan zur „Umsiedlung“ von Palästinensern gearbeitet hatten, war der Kuchen gebacken – allerdings ungenießbar.

„Nicht autorisiert“, beeilte sich BCG zu sagen. „Ein Missverständnis“, ein „Prozessfehler“, ein „einmaliger Ausrutscher im sonst tadellosen Engagement für humanitäre PowerPoint-Projekte“. Die beiden Verantwortlichen wurden im Juni diskret entfernt – von der Spitze des Unternehmens. Innerhalb der Firma dürfen sie wohl weiterhin beraten – nur vielleicht nicht mehr, wie man Krisengebiete „optimiert“.

Rufschaden in Millionenhöhe

BCG-Chef Christoph Schweizer gab sich reumütig: Die Sache sei „sehr rufschädigend“. NGOs sprangen ab, ehemalige Berater stellten entsetzt fest, dass man mit PowerPoint-Präsentationen offenbar nicht nur Autokonzerne, sondern auch geopolitische Pulverfässer bedienen kann. Und die Welt fragt sich: Wie konnte ein Unternehmen mit so viel Markenstrategie so wenig Fingerspitzengefühl zeigen?

Umsatzrekord in der Region

Ironischerweise boomt das Beratungsgeschäft im Nahen Osten: 2024 wurden dort laut Wall Street Journal rund 8,7 Milliarden Dollar umgesetzt – ein Plus von elf Prozent. Krieg als Wachstumsmotor? Willkommen in der Beratungsrealität 2025.

Währenddessen in Gaza

Vor Ort bleibt die Lage düster. Seit Ende Mai starben laut UNO fast 800 Menschen bei dem Versuch, an Lebensmittel zu kommen – viele in der Nähe von GHF-Verteilungsstellen. Während GHF weiterhin behauptet, es habe keine Zwischenfälle gegeben, räumt das israelische Militär „einzelne Vorfälle“ ein – eine Formulierung, die fast schon zynisch wirkt angesichts von täglich neuen Toten.

Ärzte ohne Grenzen meldete zuletzt, man könne keine Patienten mehr ins Krankenhaus bringen – weil es schlicht keine funktionierenden Krankenhäuser mehr gebe. Die Versorgung von Schwangeren und unterernährten Kindern erfolgt, wenn überhaupt, ambulant – zwischen Panzern und Luftangriffen.

Was bleibt?

Eine Beratungsfirma mit Imageverlust, zwei ehemalige Manager mit Nebentätigkeit im geopolitischen Schlingerkurs, ein Krieg ohne Ende – und eine humanitäre Katastrophe, die sich nicht mit Keynote-Folien lösen lässt. Vielleicht sollten künftig nicht nur CEOs, sondern auch Menschenrechtler mit an den Konferenztisch. Und vielleicht braucht Gaza gerade mehr Ärzte als Berater.

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