Das Land Hessen kann von seiner Vermieterin keinen Vorschuss in Höhe von rund 10 Millionen Euro zur Beseitigung großflächiger Innenputzschäden verlangen. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit einem nun veröffentlichten Urteil (Az. 14 U 103/20). Nach Auffassung des Gerichts ist das Land selbst für die Instandsetzung verantwortlich – aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen „Dach-und-Fach“-Klausel.
Hintergrund: Immobilienverkauf mit Rückmietung
Im Rahmen einer umfangreichen Immobilientransaktion hatte das Land Hessen mehrere landeseigene Gebäude an die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten verkauft und diese anschließend für 30 Jahre zurückgemietet.
Eines dieser Objekte ist das Gebäude „Am Rosengarten“ in Fulda, in dem sich seit Jahren Beton- und Putzschäden an tragenden Wänden und Geschossdecken zeigen. Hessen forderte daraufhin einen Vorschuss von rund 10 Millionen Euro zur Sanierung der Mängel – ohne Erfolg.
Gerichte sehen Verantwortung beim Land
Bereits das Landgericht Fulda hatte die Klage des Landes abgewiesen. Auch das OLG Frankfurt bestätigte nun diese Entscheidung. Zwar sei grundsätzlich der Vermieter für die Instandhaltung der Mietsache verantwortlich, doch habe der Mietvertrag eine abweichende Regelung getroffen:
Nach der sogenannten „Dach-und-Fach“-Klausel müsse die Vermieterin nur für die Instandsetzung von Dach und Fach aufkommen. Alle übrigen Instandhaltungsarbeiten – darunter der Innenputz – lägen in der Verantwortung des Mieters, also des Landes Hessen.
Innenputz fällt nicht unter „Dach und Fach“
Das Gericht stellte klar, dass die streitigen Putzablösungen nicht unter die Dach-und-Fach-Verpflichtung fallen. Die Klausel sei im Mietvertrag ausdrücklich definiert und umfasse lediglich konstruktive Gebäudeteile oder solche, die der Funktionsfähigkeit und Benutzbarkeit der Mietsache dienten.
Der Innenputz sei jedoch kein konstruktiver Bestandteil des Gebäudes, sondern lediglich ein Oberflächenüberzug aus Mörtel, der auf tragende Wände und Decken aufgetragen werde.
Für diese Auslegung spreche auch der Umstand, dass der Außenputz an der Fassade in der Klausel ausdrücklich erwähnt sei und damit in die Instandhaltungspflicht der Vermieterin falle – der Innenputz hingegen werde nicht genannt.
Keine weiteren Beweise nötig
Eine weitere Beweisaufnahme sei nach Ansicht des OLG nicht erforderlich. Die Auslegung der Vertragsklausel sei eine juristische Frage, die das Gericht selbst zu klären habe.
Das Land Hessen habe zudem keine konkreten Belege für eine angebliche Verkehrssitte vorgelegt, nach der Innenputz üblicherweise ebenfalls unter „Dach und Fach“ falle.
Rechtsmittel noch möglich
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Land Hessen kann mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragen, die Revision zuzulassen.
Sollte der BGH den Fall annehmen, könnte das oberste Zivilgericht die Auslegung der „Dach-und-Fach“-Klausel in gewerblichen Mietverträgen grundlegend prüfen.
Aktenzeichen:
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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.10.2025 – 14 U 103/20
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Vorinstanz: LG Fulda, Urteil vom 12.02.2020 – 4 O 181/19
Kernaussage des Urteils:
Der Mieter trägt die Instandsetzungspflicht für den Innenputz, wenn der Mietvertrag eine „Dach-und-Fach“-Klausel enthält, die den Begriff „Fach“ nicht ausdrücklich auf Innenputz erstreckt.
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