Wenn der US-Kongress nicht bald handelt, stehen Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner vor einer schwierigen Entscheidung: Ab 2026 könnten die monatlichen Beiträge für die Krankenversicherung über das „Affordable Care Act“ (Obamacare) massiv steigen – oder Betroffene verlieren ihren Versicherungsschutz ganz.
Die Steuervergünstigungen, die während der COVID-19-Pandemie eingeführt wurden, laufen Ende 2025 aus. Diese Subventionen machten die Krankenversicherung für viele Menschen überhaupt erst bezahlbar. Besonders betroffen wären Geringverdienende, Selbstständige und Beschäftigte kleiner Unternehmen, deren Arbeitgeber keine Krankenversicherung anbieten.
Ein Leben auf Messers Schneide
Dawn Wheeler, 59 Jahre alt und an metastasierendem Brustkrebs erkrankt, ist eine dieser Betroffenen. Ohne die Subventionen würde ihr monatlicher Beitrag von 272 auf 2.335 US-Dollar steigen – rund 60 % des Haushaltseinkommens. „Unsere Füße hängen über dem Feuer“, beschreibt sie ihre Lage. Ihre lebenswichtige Chemotherapie kostet 20.000 US-Dollar im Monat – ein Betrag, den sie ohne Versicherung niemals stemmen könnte.
Zunächst hatte Wheeler gehofft, dass Demokraten im Streit um den Regierungsstillstand auf die Verlängerung der Subventionen bestehen würden. Doch am 10. November stimmten acht demokratische Senatoren mit den Republikanern für ein Kompromisspaket – ohne die Gesundheitsregelung. Präsident Trump unterzeichnete das Gesetz, der Shutdown war beendet, aber die Gesundheitsfrage blieb ungelöst.
Millionen könnten Versicherung verlieren
Schätzungen zufolge sind rund 22 Millionen Menschen von der Entscheidung betroffen – 92 % der 24,3 Millionen Obamacare-Nutzer erhalten derzeit Subventionen. Die unabhängige Organisation KFF warnt, dass sich die Beiträge im Schnitt um 114 % erhöhen könnten. Die Folge: Viele würden sich keine Versicherung mehr leisten können.
Die Congressional Budget Office (CBO) rechnet mit rund 4 Millionen Menschen, die ihren Versicherungsschutz verlieren könnten – konservative Schätzungen sprechen immer noch von 2 Millionen. Gleichzeitig würde eine Verlängerung der Zuschüsse den Bundeshaushalt bis 2035 um rund 350 Milliarden US-Dollar belasten.
Teurer Dominoeffekt
Ein weiteres Problem: Steigende Beiträge könnten gesunde Menschen vom Versicherungssystem fernhalten. Das erhöht das Risiko für die Versicherer, die wiederum die Prämien anheben – ein Teufelskreis, wie Sabrina Corlette von der Georgetown University erklärt. Schon jetzt kalkulieren viele Anbieter mit einem Beitragsanstieg von 20–30 %.
Wer ist besonders betroffen?
Vor allem Selbstständige und Arbeitnehmer kleiner Betriebe wie Landwirte, Einzelhändler, Gastronomiebeschäftigte oder Gig-Worker – also Menschen ohne Zugang zu Arbeitgeberversicherungen – sind auf Obamacare angewiesen. Auch viele Rentner mit begrenztem Einkommen profitieren von den Subventionen.
Beispiel: Das Ehepaar Kurland, zwei ehemalige Lehrer aus Arizona, zahlte 2025 noch 513 US-Dollar monatlich. 2026 liegt das günstigste Angebot für sie bei über 2.200 US-Dollar. Sie wollen nun zur teureren, aber stabileren Versicherung des staatlichen Rentensystems wechseln – sofern es möglich ist.
Die politische Lage
Zwar hat Senatsmehrheitsführer John Thune (Republikaner) zugesagt, im Dezember über eine Verlängerung abzustimmen. Doch der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, zeigt sich unnachgiebig. Präsident Trump hat sich in einem Social-Media-Post gegen eine Fortsetzung der bisherigen Zuschüsse ausgesprochen. Stattdessen schlägt Senator Bill Cassidy ein Modell mit staatlich befüllten Gesundheitskonten (HSAs) vor – eine radikale Neuordnung, die bislang nicht konkret ausgearbeitet ist.
Die Zeit drängt: Die offene Einschreibungsphase für Obamacare begann am 1. November und läuft bis zum 15. Januar. Je länger sich der Kongress nicht einigt, desto mehr Menschen werden von hohen Beiträgen abgeschreckt und verzichten auf Versicherungsschutz.
Fazit: Politisches Ringen auf dem Rücken der Betroffenen
Die Frage der Obamacare-Zuschüsse entwickelt sich zu einem sozialen Brennpunkt: Für Millionen steht nicht weniger als der Zugang zu bezahlbarer medizinischer Versorgung auf dem Spiel. Patientenschützer wie Anthony Wright von der Organisation Families USA kritisieren: „Das hätte die einfachste Entscheidung der Welt sein müssen – eine gigantische Beitragserhöhung nach einer Wahl zu verhindern.“
Doch politische Machtkämpfe, haushaltspolitische Bedenken und ideologische Gräben blockieren bislang eine Lösung – mit potenziell dramatischen Folgen für das amerikanische Gesundheitssystem und die Betroffenen.
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