Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass Unternehmen, die im Sinne des europäischen Beihilfenrechts als verbundene Unternehmen gelten, die NRW-Soforthilfe 2020 zu Unrecht erhalten haben, wenn diese nur unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage eines Teilunternehmens bewilligt wurde. Mehrere Klagen gegen entsprechende Rückforderungsbescheide wurden abgewiesen.
Hintergrund der Entscheidung
Die Kläger betrieben jeweils mehrere Gastronomiebetriebe – entweder als Einzelunternehmer oder in verschiedenen Gesellschaftsformen. Trotz komplexer Unternehmensverflechtungen hatten sie im Frühjahr 2020 jeweils gesonderte Anträge auf Soforthilfe für einzelne Betriebe gestellt. Dabei versicherten sie, dass ihre Unternehmen unabhängig seien, also nicht im Mehrheitsbesitz anderer Unternehmen stünden und nicht Teil eines Unternehmensverbunds seien.
Auf Grundlage dieser Angaben wurden die Soforthilfen zunächst bewilligt. Später nahm das Land NRW die Bescheide zurück. Zur Begründung hieß es, die Antragsteller hätten durch unrichtige Angaben Leistungen erlangt, da sie tatsächlich Teil verbundener Unternehmensstrukturen seien. Die Verwaltungsgerichte Gelsenkirchen und Düsseldorf gaben den Klägern zunächst Recht. Das Oberverwaltungsgericht änderte diese Urteile nun und wies die Klagen ab.
Verstoß gegen EU-Beihilfenrecht
Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts führte in der mündlichen Urteilsbegründung aus, dass die Bewilligungen gegen europäisches Beihilfenrecht verstoßen hätten. Die Kläger hätten sich zu Unrecht als unabhängige Unternehmen deklariert, obwohl sie in tatsächlicher Hinsicht als Teil eines wirtschaftlich einheitlich gesteuerten Unternehmensverbunds agierten.
Nach EU-Recht sei in solchen Fällen die gesamthafte wirtschaftliche Lage des Verbunds zu berücksichtigen – nicht nur die des Einzelbetriebs. Deshalb seien die auf falscher Tatsachengrundlage bewilligten Hilfen auch unionsrechtlich rückabzuwickeln. Die Behörde sei zudem verpflichtet gewesen, unrechtmäßige Beihilfen zu widerrufen, unabhängig davon, ob ein subjektiver Fehler oder ein bewusster Täuschungsversuch vorlag.
Kein Vertrauensschutz trotz missverständlicher Formulare
Zwar räumte das Gericht ein, dass das Antragsformular missverständlich gewesen sein könnte – insbesondere angesichts der besonderen Unsicherheiten zu Beginn der Pandemie. Dennoch könne sich daraus kein Vertrauensschutz ableiten lassen. Der Begriff des verbundenen Unternehmens sei im EU-Beihilfenrecht klar definiert und seit Jahren gefestigt. Auch die Europäische Kommission habe dazu öffentlich zugängliche Informationen bereitgestellt.
Dass die Kläger die beihilferechtlichen Voraussetzungen möglicherweise nicht korrekt einschätzen konnten, sei nachvollziehbar. Dies entlaste sie aber nicht von den rechtlichen Folgen ihrer unrichtigen Angaben. Ebenso wenig sei es dem Land NRW treuwidrig vorzuwerfen, dass es sich bei der Rücknahme auf die objektive Rechtslage stütze.
Rechtsmittel
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die Kläger können jedoch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.
Aktenzeichen:
– 4 A 2550/22
– 4 A 2551/22
– 4 A 274/23
(Vorinstanzen: VG Gelsenkirchen, 19 K 4391/20, 19 K 4392/20; VG Düsseldorf, 20 K 7275/21)
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