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Nord Stream, Nord Gericht, Süd Chaos – Italiens Justiz stoppt Auslieferung

stevepb (CC0), Pixabay
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Es ist mal wieder Zeit für ein Kapitel aus dem beliebten Buch „Europa und seine Justiz“: Italien hat die Auslieferung des mutmaßlichen Drahtziehers der Nord-Stream-Anschläge an Deutschland gestoppt – überraschend, versteht sich. Das oberste Gericht in Rom hob die Entscheidung der Vorinstanz kurzerhand auf. Begründung: Rechtsverletzungen während des Verfahrens.
Oder, frei übersetzt: Irgendwas ist immer.

Ein 49-Jähriger, viele Fragen – und ein halbes Dutzend Zuständigkeiten

Der Mann, ein 49 Jahre alter Ukrainer, soll nach deutschem Ermittlungsstand eine tragende Rolle bei der Sprengung der Gasleitungen in der Ostsee gespielt haben – also bei einem der spektakulärsten Sabotageakte der letzten Jahrzehnte. Deutschland möchte ihn deshalb gern sehen – vor Gericht. Italien sagt: „Moment, so einfach geht das nicht.“

Der Fall wandert nun zu einem anderen Gericht, das neu entscheiden darf. Europäische Rechtsstaatlichkeit in Aktion: ein pingpongartiger Austausch von Zuständigkeiten, während der Hauptangeklagte in einem italienischen Hochsicherheitsgefängnis die Aussicht auf eine Freilassung prüfen lässt.

Von der Adria nach Bornholm – und wieder zurück

Der Ukrainer war im Sommer an der italienischen Adria festgenommen worden, wo er mit seiner Familie Urlaub machte. Man stelle sich das vor: erst Strand, dann Handschellen.
Ein symbolischer Moment – Europa im Jahr 2025.

Denn während der Mann zwischen Gerichtshöfen hin- und hergeschoben wird, versuchen Ermittler in mehreren Ländern immer noch herauszufinden, wer eigentlich die Pipelines in die Luft gejagt hat. Russland? Die Ukraine? Eine Geheimdienst-Operation? Eine Verschwörung von Fischern? Jeder hat eine Theorie, keiner hat Beweise, aber alle haben Empörung.

Das Prestigeprojekt, das zum Polit-Minenfeld wurde

Der Anschlag auf die „Nord Stream“-Pipelines war nicht nur ein Schlag gegen Stahl und Gas, sondern gegen Vertrauen und Vernunft.
Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs explodierte in der Ostsee ein Stück europäischer Naivität: die Illusion, man könne Energiepolitik und Geopolitik sauber trennen.

Seither gleicht der Fall einem politischen Brennglas: Deutschland will Aufklärung, Russland will Rache, die Ukraine will Ruhe, und Italien will offensichtlich erst einmal gar nichts überstürzen.

„Rechtsstaatliche Verfahren“ – mit mediterranem Rhythmus

Die italienische Justiz argumentiert, die Rechte des Verdächtigen seien nach der Festnahme verletzt worden. Ein ehrenwertes Argument – und eine elegante Möglichkeit, Zeit zu gewinnen.
In Brüssel nennt man das „juristische Sorgfalt“, in Rom einfach „Dienst nach Vorschrift“.

Und so zieht sich das Verfahren, wie es sich in Europa eben gehört: gründlich, kompliziert und mit dem leisen Beigeschmack, dass niemand wirklich Interesse an einer schnellen Lösung hat.

Ein europäisches Krimi-Kabarett

Was bleibt, ist ein juristisches Schauspiel, das die Ohnmacht der europäischen Institutionen offenbart.
Ein Anschlag, der die Welt erschütterte – und eine Justiz, die es schafft, selbst das in einen Verwaltungsvorgang zu verwandeln.

Währenddessen verrotten die Reste der Nord-Stream-Leitungen auf dem Grund der Ostsee – als Mahnmal dafür, wie Europa mit Krisen umgeht: Man lässt sie liegen, diskutiert darüber und reicht Akten weiter.

Fazit: Der Fall Nord Stream – viel Druck, wenig Durchblick

Die Italiener prüfen, die Deutschen warten, die Russen spotten, und der Angeklagte sitzt.
Das ist nicht etwa der Plot eines neuen Netflix-Thrillers, sondern die Realität europäischer Politik – in der selbst Sabotage nicht mehr einfach Sabotage ist, sondern ein diplomatischer Hindernislauf mit Aktenstapeln.

Die Pipelines sind gesprengt. Der Rechtsstaat ist es nicht – er zieht sich nur gerade etwas länger hin.

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