Im US-Kongress herrscht Aufbruchsstimmung – allerdings im wörtlichen Sinne. Mehr als 50 Abgeordnete und Senatoren haben angekündigt, 2025 nicht erneut zu kandidieren oder vorzeitig aus dem Amt zu scheiden. Der wohl prominenteste unter ihnen: Senator Dick Durbin, Demokrat aus Illinois und seit über 40 Jahren im Parlament.
„Fliegen werde ich definitiv nicht vermissen“, sagte Durbin mit Blick auf seine wöchentliche Pendelstrecke von Washington nach Chicago. Seit 1982 war er im Repräsentantenhaus, später im Senat – zuletzt sogar als Mehrheitsführer der Demokraten. Nun ist für ihn Schluss – und er ist nicht allein.
Rekordzahl an Rücktritten
Allein im Repräsentantenhaus wollen über 40 Abgeordnete ihre Sitze räumen – ein Höchstwert im Vergleich zu ähnlichen Zeitpunkten früherer Legislaturperioden. Zwar sind Rücktritte im Kongress nicht ungewöhnlich, doch die derzeitige Häufung ist auffällig.
Hintergrund ist eine Mischung aus politischer Dauerblockade, persönlichen Angriffen – teils bis hin zu Morddrohungen – und wachsender Frustration über die eigene Wirkungslosigkeit.
„Ich kann in der Zeit, die mir als Vater, Ehemann und Sohn zur Verfügung steht, mehr bewegen als in diesem zunehmend ineffizienten Kongress“, erklärte etwa Jared Golden, Demokrat aus Maine, seinen Rückzug.
Giftige Atmosphäre und interne Kämpfe
Auch der langjährige republikanische Abgeordnete Michael McCaul aus Texas zieht sich zurück. Seit 2005 im Amt, war er Vorsitzender wichtiger Ausschüsse – etwa für Auswärtige Angelegenheiten oder Heimatschutz.
Doch der Ton in Washington habe sich massiv verschärft: „Alle sagen, sie seien gläubige Christen – aber ihre Rhetorik ist alles andere als gottesfürchtig“, so McCaul. Der politische Umgang sei „toxischer denn je“, Respekt und Anstand weitgehend verloren gegangen.
Ein besonders drastischer Fall: Marjorie Taylor Greene, republikanische Hardlinerin aus Georgia und einst Trump-Verbündete, kündigte im November überraschend ihren vollständigen Rückzug an. In ihrer Erklärung sprach sie von einem „Klima der Gewalt“ und massiven Bedrohungen, für die sie auch Ex-Präsident Trump verantwortlich macht.
Bedeutungsverlust des Parlaments
Hinzu kommt, dass viele Abgeordnete sich zunehmend entmachtet fühlen. Zwar hält der Kongress formell das Haushaltsrecht – doch die Exekutive unter Donald Trump greift laut Kritikern immer häufiger in Budgetfragen ein. Mehrere Behörden sollen eigenmächtig Gelder umverteilt oder blockiert haben – mit fraglicher rechtlicher Grundlage.
Besonders in der letzten Haushaltskrise blieb das Parlament über Wochen faktisch stillgelegt – keine Sitzungen, keine Abstimmungen, kein Fortschritt. Frustrierte Abgeordnete wie Kevin Kiley aus Kalifornien äußerten öffentlich Zweifel am Sinn ihrer Arbeit.
Ein Hoffnungsschimmer?
Trotz allem gibt es noch Lichtblicke: Mit parteiübergreifender Mehrheit verabschiedete der Kongress im Herbst das „Epstein Files Transparency Act“, das die Offenlegung aller verfügbaren Informationen rund um die Ermittlungen gegen Jeffrey Epstein vorschreibt. Ein überraschender Erfolg – auch gegen den ursprünglichen Widerstand von Präsident Trump.
Für den republikanischen Kongressabgeordneten Thomas Massie ist das ein Zeichen, dass der Kongress noch handlungsfähig ist: „Ja, viele gehen, weil sie sich nur noch als Stempelautomat fühlen. Aber wir haben gezeigt, dass wir auch anders können.“
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