Die japanische Millionenstadt Kyoto reagiert auf die immer stärker werdende Belastung durch den Tourismus und hat beschlossen, ihre Touristensteuer um 900 Prozent zu erhöhen. Mit dieser drastischen Maßnahme will die Stadt die Auswirkungen des Overtourism eindämmen, die Lebensqualität der Einwohner verbessern und den Erhalt des kulturellen Erbes sichern.
Historische Stadt am Limit
Kyoto, einst kaiserliche Hauptstadt Japans und Heimat von 17 UNESCO-Welterbestätten, gehört zu den meistbesuchten Städten Asiens. Tempel wie Kinkaku-ji (Goldener Pavillon) oder Sehenswürdigkeiten wie der Fushimi-Inari-Schrein ziehen täglich Zehntausende Besucher an. Doch der anhaltende Zustrom hat seine Schattenseiten:
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Bewohner berichten von überfüllten Straßenbahnen und Bussen,
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es gibt Probleme mit Müll, Lärm und respektlosem Verhalten in Wohngebieten,
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und steigende Mieten verdrängen Einheimische aus beliebten Vierteln.
Nach Angaben der Stadtverwaltung besuchen rund 50 Millionen Touristen jährlich Kyoto – eine Zahl, die sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt hat.
Steuererhöhung als Schutzmaßnahme
Die neue Regelung sieht eine neunfache Erhöhung der bestehenden Tourismusabgabe vor. Wer künftig in Kyoto übernachtet, muss deutlich höhere Gebühren entrichten – gestaffelt nach Unterkunftsart und Preisniveau.
Beispiel: Für günstige Unterkünfte könnte die Steuer künftig etwa 900 Yen (ca. 5,50 Euro) betragen, für Luxus-Hotels entsprechend mehr.
Das eingenommene Geld soll zweckgebunden verwendet werden – unter anderem für:
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die Reinigung und Pflege öffentlicher Plätze,
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Investitionen in nachhaltige Mobilität,
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den Schutz historischer Gebäude und Tempelanlagen,
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sowie für Aufklärungskampagnen zu verantwortungsvollem Tourismus.
Bewusster reisen statt weniger reisen
Kyotos Bürgermeister betonte, die Stadt wolle nicht primär Besucher abschrecken, sondern „einen respektvolleren Tourismus fördern“. Ziel sei es, die Zahl der Tagesausflügler zu verringern und gleichzeitig Besucher anzuziehen, die länger bleiben, lokal konsumieren und nachhaltiger reisen.
Tourismusforscher sehen darin einen Paradigmenwechsel: „Kyoto erkennt, dass Massentourismus zwar kurzfristig Gewinne bringt, langfristig aber die Kultur, Infrastruktur und Lebensqualität gefährdet“, so Professor Hiroshi Tanaka von der Universität Tokio.
Reaktionen aus der Bevölkerung und Tourismusbranche
Die Entscheidung stößt auf gemischte Reaktionen. Viele Einwohner begrüßen die Maßnahme als überfälligen Schritt, um ihre Stadt lebenswerter zu machen. „Ich kann kaum noch zur Arbeit fahren, ohne mich durch Touristengruppen zu drängen“, sagte eine Anwohnerin aus dem Viertel Higashiyama.
Hotelbetreiber und Reiseveranstalter hingegen äußern Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit. Einige fürchten, dass Kyoto durch höhere Kosten gegenüber Städten wie Osaka oder Nara an Attraktivität verlieren könnte.
Japan im Kampf gegen Overtourism
Kyoto steht mit dem Problem nicht allein. Auch andere japanische Reiseziele leiden unter Besucherströmen. In Fuji-Yoshida wurde jüngst eine Sichtschutzwand errichtet, um Selfie-Touristen vom gefährlich nahen Fotografieren des Fuji-Bergs abzuhalten. In Kamakura gelten strengere Verhaltensregeln für Touristen, und auf Okinawa denkt man über Besucherlimits nach.
Fazit
Mit der 900-prozentigen Erhöhung der Touristensteuer sendet Kyoto ein deutliches Signal: Die Stadt will kein Opfer ihres eigenen Erfolgs werden.
Statt grenzenlosem Wachstum setzt sie auf nachhaltige Besucherlenkung, faire Finanzierung und kulturellen Respekt.
Ob die Maßnahme tatsächlich zu einem spürbaren Wandel führt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen – sicher ist jedoch: Kyoto steht beispielhaft für eine globale Herausforderung, vor der viele Touristenmetropolen stehen.
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