Kim Teresa A. u.a. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung („IS“) zu Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt

Der 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat heute die 32-jährige Kim Teresa A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung („IS“) in neun Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit der Begehung von Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte sowie in zwei weiteren Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und angeordnet, dass die Angeklagte in Haft bleibt.

Nr. 65/2021

Der Senat hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt: Die Angeklagte, die sich spätestens seit 2009 in der islamistisch-salafistischen Szene des Rhein-Main-Gebietes sowie im Raum Bonn/Solingen bewegte, reiste im Juni 2014 gemeinsam mit dem ihr nach islamischem Ritus angetrauten Onur E. über die Türkei nach Syrien. Dort schlossen sich die Angeklagte und Onur E. entsprechend ihres zuvor in Deutschland gefassten Entschlusses dem „IS“ an, um danach in dessen Herrschaftsgebiet zu leben und an der Festigung der Herrschaftsstrukturen des „IS“ mitzuwirken. Kurze Zeit nach ihrer Ankunft in Syrien absolvierte Onur E. beim „IS“ eine Ausbildung als Kämpfer, während die Angeklagte zunächst in einem Frauenhaus des „IS“ wohnte.

Nach Beendigung der Ausbildung im August 2014 war Onur E. als Kämpfer an verschiedenen Orten in Syrien für den „IS“ tätig. Die Angeklagte lebte bis Juli 2016 mit Onur E. zusammen, folgte ihm zu seinen jeweiligen Einsatzorten, befürwortete seine Kampfhandlungen und unterstützte ihn, indem sie – wie im „IS“ für die Ehefrau eines Kämpfers vorgesehen – den Haushalt führte, ihn versorgte und im Krankheitsfall pflegte. Dabei lebte das Paar von den Leistungen der Terrororganisation. Diese umfasste neben dem Schutz vor Feinden das kostenfreie Bereitstellen von Wohnraum. Dabei handelte es sich jeweils um vom „IS“ besetzte Unterkünften, deren rechtmäßige Bewohner vertrieben, inhaftiert oder getötet worden waren. Zudem erhielten Onur E. und die Angeklagte vom „IS“ monatlich 80,00 bis 100,00 US-Dollar, wovon die Hälfte vom „IS“ ausdrücklich der Angeklagten als Entlohnung für ihre Tätigkeit als Ehefrau eines IS-Kämpfers zugedacht war. Die Angeklagte besaß zudem in zwei Fällen ein Sturmgewehr vom Typ Kalaschnikov AK-47. Mit diesen allzeit geladenen Waffen wollte die Angeklagte, die sich mit der Funktionsweise der Waffen vertraut gemacht hatte, sich und den „IS“ im Angriffsfall verteidigen.

Während ihres Aufenthalts in Syrien betrieb die Angeklagte gemeinsam mit anderen zum „IS“ ausgereisten Frauen zwei Chatgruppen, in denen das Leben im „Kalifat“ beschönigt wurde. Teilnehmer einer der beiden Gruppe waren auch Frauen in Deutschland, die sich mit dem Gedanken trugen, gleichfalls zum „IS“ auszureisen. Ihnen wurden in der Chatgruppe praktische Tipps für eine Ausreise zum „IS“ gegeben. Die Angeklagte war auch darauf bedacht, Kritik am „IS“ zu unterbinden und so die Vereinigung zu stärken: Als die ebenfalls aus Deutschland zum „IS“ ausgereiste Zeugin Sabine S. sich in einem von ihr betriebenen Internet-Blog kritisch über den „IS“ äußerte, zeigte die Angeklagte sie bei einem „IS“-Gericht an und initiierte damit Ermittlungen des „IS“ gegen die Zeugin, die dazu führten, dass diese ihren Blog aufgab.

Als die Situation für die Angeklagte im „IS“-Gebiet im Frühjahr 2016 wegen des Vordringens gegnerischer Kräfte zunehmend gefährlich wurde, entschloss sie sich, das Herrschaftsgebiet des „IS“ zu verlassen. Sie hatte sich zwar nicht von dem islamistischen Gedankengut gelöst, sah sich aber aufgrund ihres Aufenthalts im Kriegsgebiet wiederkehrend erhöhter Lebensgefahr ausgesetzt. Nachdem ihr Mann im Juli 2016 wegen des Verdachts verhaftet worden war, er wolle sich vom „IS“ lossagen, gelangte sie unter Vermittlung des Zeugen Björn S. mit Hilfe von Schleusern Mitte August 2016 in ein seinerzeit von der FSA (Freie Syrische Armee) gehaltenes syrisches Territorium.
Dort fand sie Unterkunft bei einer der FSA nahestehenden syrischen Familie. Im Herbst 2020 floh sie mit erneuter Schleuserhilfe aus Syrien in die Türkei und kehrte am 2. Oktober 2020 nach Deutschland zurück, wo sie bei ihrer Ankunft am Flughafen Frankfurt am Main verhaftet wurde.

Durch dieses Verhalten hat sich die Angeklagte der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit der Begehung von Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte gemäß § 9 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch sowie in zwei weiteren Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz schuldig gemacht.

Soweit der Angeklagten ein weiterer Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen wurde, hat der Senat die Strafverfolgung gemäß § 154 Abs. 2 StPO auf die zur Verurteilung gelangten Taten beschränkt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch der Angeklagte können gegen das Urteil Revision einlegen, über die dann der Bundesgerichtshof entscheiden muss.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.10.2021, Az 5 – 2 OJs 29/20 – 1/21

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