Frage: Herr Reime, 38 Exporo-Bestandsinvestments liegen laut Auswertung sämtlich hinter Plan, teils mit massiven Abweichungen. Wie ordnen Sie das aus Anlegersicht ein?
Jens R. Reime:
Zunächst: Unterperformance ist nicht automatisch Rechtsverletzung. Juristisch relevant wird es, wenn Prospekte, Exposés oder laufende Reportings unzutreffende oder irreführende Aussagen enthielten – etwa zu Vermietungsstand, Bewertungen, Kosten, Risiken oder Exit-Annahmen. Dann kommen Prospekthaftung und Schadensersatzansprüche in Betracht.
Frage: Bei „Mitten in Hannover“ wurden 6 % p. a. Gesamtrendite in Aussicht gestellt, tatsächlich ergibt sich – inkl. aktuellem Briefkurs – ein jährliches Minus. Reicht das für Ansprüche?
Reime:
Die Renditeabweichung allein nicht. Entscheidend ist: Was genau wurde versprochen und wie gesichert? Wenn z. B. mit „100 % Vermietung“, „nachrangiger Grundschuld“, „Transparenz über Kosten“ oder bestimmten Bewertungsgutachten geworben wurde, prüfen wir: Waren diese Angaben zum Zeitpunkt der Emission zutreffend, vollständig und risikoadäquat erläutert? Wenn nein, sind Ansprüche gegen Emittent, Prospektverantwortliche und in bestimmten Konstellationen auch gegen Intermediäre denkbar.
Frage: „Apartments am Markt“ Hamburg: Ausschüttungen seit Q1/2021 ausgesetzt, nun Abstimmung über Verkauf mit ca. −50 %. Was raten Sie Anlegern konkret?
Reime:
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Unterlagen sichern (Prospekt, Exposé, Zeichnung, Reportings, Bewertungsgutachten, Protokolle der Anlegerkommunikation).
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Abstimmungsdokumente genau lesen: Wer schlägt was vor? Gibt es Interessenkonflikte? Liegt ein Fairness Opinion vor?
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Sammeln & organisieren: Ein gemeinsamer Vertreter nach SchVG (Schuldverschreibungsgesetz) kann Durchsetzungsstärke erhöhen.
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Verjährung stoppen: Ansprüche verjähren regelmäßig 3 Jahre ab Kenntnis (Ende des Kalenderjahres). Hemmung per Musterfeststellung, Güteverfahren oder Klage prüfen.
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Alternativen zum Notverkauf abfordern: Nachverhandlungen, Zwischenfinanzierung, Vermietungs- und Kostenplan, unabhängige Zweitbewertung.
Frage: Welche rechtlichen Anspruchsschienen sind typischerweise relevant?
Reime:
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Prospekthaftung (deutsches Recht zur ProspektVO/WpPG a. F./n. F.): falsche, unvollständige oder irreführende Angaben.
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Vorvertragliche Aufklärungspflicht (c.i.c.): wenn wesentliche Risiken verharmlost wurden.
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UWG / Irreführende Werbung, wenn Marketingaussagen objektiv nicht haltbar waren.
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Organhaftung gegen Verantwortliche von Emittent/Objektgesellschaft bei Pflichtverletzungen.
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Treuhänder-/Verwaltungsfehler: wenn Reporting/Handelsplatz-Transparenz (z. B. nur Briefkurse, keine Last Trades) den Sekundärmarkt verzerrt.
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Anlegerbeschlüsse anfechten, wenn Informationslage unzureichend oder Beschluss fehlerhaft.
Frage: Wie beurteilen Sie die Bewertungsthematik (z. B. Gutachten, die deutlich über heutigen Preisen liegen sollen)?
Reime:
Bewertungen sind Annahmen – aber: Ein Gutachten muss methodisch sauber, datenbasiert und zeitnah sein. Zeigt sich, dass Inputdaten (Mieten, Leerstand, Capex) unplausibel waren oder Interessenkonflikte bestanden, erhöht das die Angriffsfläche. Wir lassen Zweitgutachten erstellen und prüfen Prospektangaben vs. tatsächliche Ist-Daten.
Frage: Viele Bestandsfundings waren als Schuldverschreibungen mit nachrangigen Merkmalen strukturiert. Verschlechtert das die Anlegerchancen?
Reime:
Der Nachrang erschwert die Durchsetzung im Insolvenzfall – aber er schließt Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungsmängeln nicht aus. Wichtig ist, ob der Rangrücktritt klar, verständlich und rechtlich wirksam erläutert wurde. Unklare oder widersprüchliche Klauseln sind angreifbar.
Frage: Was ist vom Versprechen „Investieren wie ein Eigentümer“ zu halten?
Reime:
Juristisch heikel, wenn echte Eigentümerrechte fehlen. Wer nur eine Anleihe zeichnet, ist kein Eigentümer des Objekts. Solche Slogans müssen durch harte Rechte (Mitspracherechte, Informationsrechte, Exit-Kontrolle) unterlegt sein – sonst besteht Irreführungsgefahr.
Frage: Welche ersten Schritte empfehlen Sie betroffenen Anlegern jetzt – kurz & knapp?
Reime:
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Dokumente bündeln: Zeichnung, Prospekt, Exposé, Protokolle, Reportings, Handelsplatz-Screenshots.
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Schadensbild beziffern: Ein- und Auszahlungen, Kurswerte, Opportunitätskosten.
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Anspruch prüfen lassen: Prospekthaftung / Aufklärung / UWG.
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Verjährung hemmen.
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Sich organisieren: Arbeitsgruppe/Gemeinsamer Vertreter; Beschlüsse sorgfältig vorbereiten.
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Transparenz einfordern: Vollständige Offenlegung zu Mieten, Leerstand, Capex, Bewertungsannahmen, Interessenkonflikten, Exit-Szenarien.
Frage: Ihr Fazit?
Reime:
Es braucht jetzt kühle Köpfe und kollektives Vorgehen. Wer strukturiert prüft, Fristen wahrt und informierte Beschlüsse herbeiführt, verbessert seine Position signifikant – sei es für eine bessere Verwertung, Nachschusspflichten zu vermeiden oder Schadensersatz durchzusetzen. Einzelne Anleger sind leise; organisiert werden sie gehört.
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