Frage: Herr Bremer, am 6. Februar 2025 wurden Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die DEGAG Kapital GmbH, die DEGAG WI8 GmbH sowie eine weitere Holdinggesellschaft gestellt. Was bedeutet das für die Anleger?
Thomas Bremer: Die Insolvenz betrifft nun alle drei Publikumsgesellschaften der DEGAG, die qualifiziert nachrangige Genussrechte emittiert haben. Für die betroffenen Anleger heißt das zunächst, dass ihre Investitionen akut gefährdet sind. Wichtig ist nun, die weiteren Schritte zu verstehen und sich nicht von Panik oder unrealistischen Versprechungen leiten zu lassen.
Frage: Zahlreiche Anwaltskanzleien werben aktuell um Mandate. Welche rechtlichen Aspekte sollten Anleger dabei beachten?
Thomas Bremer: Zunächst ist es entscheidend zu wissen, dass ein sogenanntes KapMuG-Verfahren gegen eine insolvente Gesellschaft nicht möglich ist. Das bedeutet, dass Anleger keine Möglichkeit haben, durch ein Kapitalanleger-Musterverfahren kollektiv Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Ebenso sind alle anderen zivilrechtlichen Klagen gegen die DEGAG-Gesellschaften derzeit ausgesetzt.
Frage: Gab es seitens der BaFin Maßnahmen oder Warnungen bezüglich der DEGAG-Emissionen?
Thomas Bremer: Nein, es gab keine BaFin-Verfügung oder öffentlichen Hinweise, die auf aufsichtsrechtliche Bedenken hingewiesen hätten. Besonders relevant ist, dass für die Sonderserien der Genussrechte keine Prospektpflicht bestand, was bedeutet, dass die DEGAG nicht verpflichtet war, einen detaillierten Verkaufsprospekt zu veröffentlichen.
Frage: Ein weiteres Thema ist die Herausgabe der Anlegeradressen. Gibt es hier rechtliche Grundlagen, die Anlegern oder deren Anwälten helfen könnten?
Thomas Bremer: Nein, DEGAG-Anleger oder deren Anwälte können keine Herausgabe der Anlegeradressen verlangen. Genussrechte sind keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, sondern reine schuldrechtliche Kapitalüberlassungen. Das heißt, es besteht keine Solidargemeinschaft, die eine solche Forderung rechtfertigen würde.
Frage: Viele Anleger fragen sich, wann und wie sie ihre Forderungen anmelden können. Können Sie dazu mehr sagen?
Thomas Bremer: Forderungsanmeldungen sind erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich, nicht während des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Nachrangige Forderungen dürfen zudem nur angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht dazu explizit auffordert. Grundsätzlich müssen Anleger ihre Ansprüche im normalen Rang des § 38 InsO anmelden.
Frage: Wie ist die rechtliche Lage hinsichtlich der Nachrangklauseln der DEGAG-Genussrechte?
Thomas Bremer: Die Nachrangklauseln der DEGAG sind aus meiner Sicht wirksam. Der Prüfungsmaßstab für Genussrechte unterscheidet sich von dem für Darlehen, da es sich hier um Hauptleistungsinhalte handelt. Dies wurde bereits in einem Urteil des BGH vom 22. März 2018 bestätigt.
Frage: Welche Rolle spielt die Insolvenzverwaltung bei der Aufklärung der Anleger?
Thomas Bremer: Die Insolvenzverwaltung hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten zu erläutern. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt der sogenannte Berichtstermin, der zugleich die erste Gläubigerversammlung ist. Hier wird umfassend informiert.
Frage: Welche Einflussmöglichkeiten haben die Gläubiger in der Insolvenz?
Thomas Bremer: Die Gläubiger haben in der Versammlung wesentliche Mitspracherechte. Sie können Mitglieder des Gläubigerausschusses berufen oder austauschen, einen anderen Insolvenzverwalter wählen oder konkrete Weisungen erteilen. Diese Rechte sollten Anleger aktiv wahrnehmen, um ihre Interessen bestmöglich zu vertreten.
Frage: Einige Kanzleien werben mit Aussagen wie „Ihr Geld von der DEGAG zurück“. Wie realistisch ist das?
Thomas Bremer: Das ist eine irreführende Darstellung. Bei einer Insolvenz gibt es keine vollständige Rückzahlung des Genussrechtskapitals. Anleger können lediglich auf eine anteilige Insolvenzquote hoffen, die erst nach Prüfung und Feststellung der Forderungen ausgezahlt wird. Es ist wichtig, sich hier nicht von unrealistischen Versprechungen täuschen zu lassen.
Frage: Vielen Dank, Herr Bremer, für diese Einschätzungen.
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