Redaktion: Herr Reime, immer mehr Plattformen wie Mitrade werben mit dem schnellen Handel von CFDs. Was ist Ihre Einschätzung – sind CFDs ein legitimes Anlageinstrument?
RA Jens Reime: CFDs – also Differenzkontrakte – sind ein hochspekulatives Instrument. Es handelt sich dabei rechtlich nicht um eine „Anlage“ im klassischen Sinne, sondern um eine Wette auf Kursbewegungen. Diese Produkte sind aus meiner Sicht für die allermeisten Privatanleger absolut ungeeignet. Es gibt einen Grund, warum Anbieter verpflichtet sind, auf das Totalverlustrisiko hinzuweisen. Und dass 72 % der Anleger Geld verlieren, ist keine Randnotiz, sondern ein zentrales Problem.
Redaktion: Plattformen wie Mitrade verweisen auf Regulierung durch die CySEC in Zypern. Ist das aus Anlegersicht vertrauenswürdig?
Reime: Die Regulierung in einem EU-Mitgliedstaat – wie hier durch die zypriotische Finanzaufsicht – erfüllt formal die Anforderungen des EU-Rechts. Das heißt aber nicht automatisch, dass man als Anleger in Deutschland denselben Schutz hat wie bei einer deutschen Bank. Besonders bei Streitigkeiten gestaltet sich die Rechtsverfolgung deutlich schwieriger. Ich habe viele Mandate, in denen es für deutsche Kunden fast unmöglich war, sich gegen Verluste oder problematische Handelsbedingungen zu wehren.
Redaktion: Was ist Ihr Hauptkritikpunkt an CFD-Plattformen?
Reime: Die Kombination aus aggressivem Marketing, komplexer Funktionsweise und Hebelwirkung führt viele Kleinanleger in die Irre. Viele glauben, sie könnten mit kleinen Einsätzen große Gewinne erzielen – was theoretisch stimmt, praktisch aber fast nie eintritt. Der Hebel wirkt nämlich in beide Richtungen. Und wenn der Markt sich gegen Sie bewegt, ist das eingesetzte Kapital binnen Minuten vernichtet.
Redaktion: Aber es gibt doch auch Demokonten und Schulungsmaterialien?
Reime: Ja – das gehört zum Pflichtprogramm. Aber glauben Sie mir: Ein Demokonto mit Spielgeld hat nichts mit der Realität zu tun, wenn echtes Geld, Emotionen und Angst im Spiel sind. Das ist psychologisch ein völlig anderer Rahmen. Die Anbieter profitieren von dieser Illusion der Kontrolle.
Redaktion: Was ist mit der Werbung „Traden Sie smarter“ oder „Mobile App – überall handeln“?
Reime: Das klingt modern und zugänglich – ist aber in Wahrheit hochriskant. Ich halte diese Art der Werbung für problematisch, weil sie ein seriöses und fast schon spielerisches Bild vermittelt. In Wirklichkeit ist es eine hochspekulative Tätigkeit mit strukturell hoher Verlustwahrscheinlichkeit. Im Prinzip wettet man gegen den Anbieter – und der gewinnt fast immer.
Redaktion: Gibt es rechtliche Möglichkeiten, sich bei Verlusten zu wehren?
Reime: In bestimmten Fällen, ja – zum Beispiel wenn falsche Beratung, fehlende Risikoaufklärung oder Marktmanipulation vorliegen. Aber in der Praxis ist es schwierig. Viele Anleger scheitern an der Beweispflicht oder an der Zuständigkeit ausländischer Gerichte. Deshalb mein Rat: Gar nicht erst einsteigen – vor allem nicht als Privatanleger ohne tieferes Marktverständnis.
Redaktion: Was würden Sie Privatanlegern empfehlen?
Reime: Bleiben Sie bei soliden Anlageformen, bauen Sie Vermögen langfristig auf – und meiden Sie Produkte, bei denen Sie erst mal das „Kleingedruckte verstehen müssen“. Wer traden will, sollte wissen: CFD-Trading ist nichts anderes als Zocken. Und bei Zockerei gilt immer: Verlieren ist wahrscheinlicher als gewinnen.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für das offene Gespräch.
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