Redaktion: Herr Witt, die BaFin warnt aktuell vor der Website nordnetfinance.org. Dort sollen ohne Erlaubnis Bank- und Finanzdienstleistungen angeboten worden sein. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
RA Hans Witt: Die Warnung der BaFin ist sehr ernst zu nehmen. Wenn ein Anbieter Bank- oder Wertpapierdienstleistungen ohne behördliche Zulassung betreibt, spricht das aus anwaltlicher Sicht oft für betrügerische Absichten. Es handelt sich bei nordnetfinance.org offensichtlich nicht um das seriöse, börsennotierte Unternehmen Nordnet AB aus Schweden, sondern um eine Täuschung durch Trittbrettfahrer.
Redaktion: Was bedeutet das konkret für Anleger, die dort bereits investiert haben?
RA Witt: Für betroffene Anleger besteht akuter Handlungsbedarf. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Anlagebetrug mit gefälschter Identität handelt. Das investierte Geld dürfte sich bereits auf Auslandskonten oder Kryptoplattformen befinden, wo es schnell weitertransferiert wird. Daher ist Zeit der entscheidende Faktor.
Redaktion: Was empfehlen Sie konkret geschädigten Personen?
RA Witt: Betroffene sollten:
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Sämtliche Unterlagen und Beweise sichern, z. B. Kontoauszüge, Verträge, E-Mails und Chatverläufe.
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Unverzüglich Strafanzeige erstatten – idealerweise über einen Anwalt, damit die Sachverhalte präzise erfasst werden.
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Sich anwaltlich beraten lassen, ob zivilrechtliche Schritte oder Rückforderungen über Banken und Zahlungsdienstleister möglich sind.
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Keine weiteren Zahlungen leisten! Das ist ein häufiger Trick der Täter – sie verlangen nachträglich „Gebühren“, „Steuern“ oder „Notarhonorare“, um angebliche Auszahlungen freizugeben. Das ist immer ein Warnsignal.
Redaktion: Gibt es realistische Chancen, das Geld zurückzuerhalten?
RA Witt: In manchen Fällen ja – vor allem, wenn das Geld über europäische Banken, Kreditkarten oder E-Geld-Institute wie Revolut, Wise oder Zahlungsdienstleister geflossen ist. Dann kann geprüft werden, ob Haftungsansprüche bestehen oder Chargeback-Verfahren möglich sind. Aber: Je länger gewartet wird, desto schlechter die Erfolgsaussichten.
Redaktion: Wie können sich Anleger künftig besser schützen?
RA Witt: Ganz wichtig: Vor jeder Geldanlage prüfen, ob der Anbieter bei der BaFin oder einer anderen europäischen Finanzaufsicht registriert ist. Eine Website mit professionellem Design bedeutet gar nichts. Bei der kleinsten Unsicherheit lieber nicht investieren oder eine juristische Ersteinschätzung einholen.
Redaktion: Gibt es typische Warnzeichen, die Anleger sofort misstrauisch machen sollten?
RA Witt: Ja, gleich mehrere:
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Unrealistisch hohe Renditeversprechen ohne Risiko
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Druck durch angebliche „Berater“, schnell zu investieren
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Kein Impressum oder Ansprechpartner in Deutschland
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Plötzliche Gebührenforderungen vor angeblichen Auszahlungen
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Kommunikation nur per Messenger oder unprofessionelle E-Mails
Wenn auch nur eines dieser Merkmale zutrifft, sollte man nichts investieren und sofort recherchieren.
Redaktion: Haben Sie bereits Mandanten, die von nordnetfinance.org betroffen sind?
RA Witt: Ja, leider. Einige Mandanten berichten, dass sie zunächst Gewinne angezeigt bekommen haben – sogar mit vermeintlich echten Handelsplattformen – doch als sie ihr Geld abheben wollten, ging plötzlich nichts mehr. Dann kamen fadenscheinige Ausreden oder sogar Drohungen.
Redaktion: Herr Witt, vielen Dank für Ihre Einschätzung und Ihre klaren Ratschläge.
RA Hans Witt: Sehr gerne. Ich kann nur appellieren: Nicht schämen, sondern schnell handeln. Nur wer sich frühzeitig juristisch wehrt, hat eine Chance auf Schadensbegrenzung.
Hinweis: Wenn Sie von nordnetfinance.org betroffen sind, können Sie sich an eine auf Kapitalanlagerecht spezialisierte Kanzlei wenden oder über das BaFin-Meldeportal Informationen einreichen.
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