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Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum neuen BaFin-Merkblatt über öffentliche Angebote nach der Prospektverordnung

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Redaktion:
Herr Blazek, die BaFin hat kürzlich ein neues Merkblatt zur Auslegung des Begriffs „öffentliches Angebot“ gemäß Artikel 2 lit. d der Prospektverordnung veröffentlicht. Warum ist dieses Merkblatt für die Praxis so bedeutsam?

Daniel Blazek:
Weil es einen zentralen Begriff des Kapitalmarktrechts – das öffentliche Angebot – in den Mittelpunkt stellt und präzisiert, wann eine Prospektpflicht besteht. Die Definition des öffentlichen Angebots ist der zentrale Anknüpfungspunkt für zahlreiche Pflichten der Emittenten und Anbieter, etwa für die Veröffentlichung eines Prospekts oder die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln. Mit dem Merkblatt schafft die BaFin nun mehr Rechtssicherheit und Transparenz – insbesondere für kleinere Emittenten und Start-ups, aber auch für Platzierungen über neue Kommunikationskanäle.


I. „Wie?“ – Welche Kommunikationswege fallen unter ein öffentliches Angebot?

Redaktion:
Das Merkblatt spricht davon, dass eine Mitteilung „in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ erfolgen kann. Ist das wirklich so weit zu verstehen?

Daniel Blazek:
Ja, und das ist kein Zufall. Die Prospektverordnung – und nun auch das Merkblatt – stellen klar, dass jegliche Kommunikationsmittel erfasst sind: Von klassischen Printanzeigen über Telefonanrufe, Infoveranstaltungen und persönliche Gespräche bis hin zu digitalen Kanälen wie Websites, E-Mails, Social Media oder sogar Streaming-Werbung. Der Europäische Gerichtshof hat das im jüngsten Urteil Schaerbeek/Linkebeek ./. Holding Communal SA nochmals ausdrücklich bestätigt: Es kommt nicht auf die Form, sondern auf die Wirkung der Mitteilung an.


II. „Was?“ – Welche Informationen machen ein Angebot öffentlich?

Redaktion:
Wann liegt eine Mitteilung mit „ausreichenden Informationen“ für ein öffentliches Angebot vor?

Daniel Blazek:
Ein öffentliches Angebot setzt voraus, dass die Mitteilung dem Anleger eine Investitionsentscheidung ermöglicht. Dazu gehören Angaben zur Art der Wertpapiere, dem Zeichnungsverfahren, Anlagebetrag, Laufzeit, Zinsmarge etc. Es ist nicht erforderlich, dass sämtliche Vertragsunterlagen, wie z. B. Anleihebedingungen, vorliegen. Entscheidend ist, dass die Informationsdichte aus Sicht eines objektiven Empfängers ausreicht, um eine begründete Kaufentscheidung treffen zu können.


III. „Von wem?“ – Wer ist für ein öffentliches Angebot verantwortlich?

Redaktion:
Wem ist die Mitteilung zuzurechnen? Wer ist Anbieter im Sinne der Prospektverordnung?

Daniel Blazek:
Das kann im Einzelfall differenziert sein. Anbieter ist grundsätzlich, wer das Angebot veranlasst oder daran aktiv mitwirkt – das muss nicht zwingend der Emittent sein. Entscheidend ist die Initiative: Wer setzt die Kommunikation in Gang, wer kontrolliert das Angebot? In komplexen Vertriebsketten können sich auch mehrere Beteiligte ein Angebot gegenseitig zurechnen lassen müssen. Kollusives Verhalten, also eine bewusste Arbeitsteilung zur Umgehung von Prospektpflichten, erkennt die BaFin als aufsichtsrechtlich relevantes Anbieterverhalten an.


IV. „An wen?“ – Was macht ein Angebot öffentlich?

Redaktion:
Wann ist eine Mitteilung „öffentlich“? Reicht schon eine Kommunikation an zwei Personen?

Daniel Blazek:
Ja, und genau das ist ein zentraler Punkt: Die Prospektverordnung – und insbesondere das Merkblatt – lösen sich von dem klassischen Verständnis, dass Öffentlichkeit eine große, unbestimmte Zahl von Adressaten voraussetzt. Ein Angebot gilt bereits dann als öffentlich, wenn es sich an mindestens zwei Personen richtet – unabhängig davon, ob diese bekannt oder verwandt sind, oder aus einem bestehenden Netzwerk stammen. Auch sogenannte „Private Placements“ können somit prospektpflichtig sein, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Begriff ist weder legaldefiniert noch rechtssicher als Abgrenzung nutzbar.


V. „Wann?“ – Ab wann beginnt ein öffentliches Angebot, und wann endet es?

Redaktion:
Und wie sieht es mit dem zeitlichen Rahmen eines öffentlichen Angebots aus?

Daniel Blazek:
Das Angebot beginnt, sobald der potentielle Anleger in die Lage versetzt wird, sich zu entscheiden – also mit Vorliegen der Mindestangaben. Es endet, sobald die Wertpapiere nicht mehr verfügbar sind. Wichtig ist: Die BaFin betont, dass die Merkmale nicht alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. Eine Mitteilungskette, die in Etappen Informationen vermittelt, kann in ihrer Gesamtschau als einheitlicher Angebotsvorgang gewertet werden. Das ist besonders praxisrelevant für Marketingkampagnen oder vorbereitende Investorengespräche.


Schlussfrage

Redaktion:
Welche Empfehlungen geben Sie Emittenten und Anbietern im Hinblick auf das neue Merkblatt?

Daniel Blazek:
Zunächst: Sensibilisierung ist das A und O. Jeder, der Wertpapiere platziert, sollte sich der Schwelle bewusst sein, ab der eine Mitteilung ein öffentliches Angebot darstellen kann – und damit Prospektpflichten auslöst. Das neue Merkblatt ist inhaltlich präzise, aber streng, was die Definition betrifft. Anbieter sollten ihre Vertriebsprozesse, Marketingmaßnahmen und Investor Relations-Aktivitäten daraufhin überprüfen, ob sie mit der Verwaltungspraxis der BaFin in Einklang stehen. Ein rechtzeitiger juristischer Check kann hier viel Ärger ersparen.


Redaktion:
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Blazek.


📌 Hinweis:
Das vollständige BaFin-Merkblatt ist abrufbar unter: www.bafin.de

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