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Interview mit Rechtsanwältin Bontschev zur außerordentlichen Hauptversammlung der GAG Ludwigshafen am Rhein AG

Visiventas (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Rechtsanwältin Bontschev, die GAG Ludwigshafen lädt am 13. Januar 2026 zu einer außerordentlichen Hauptversammlung ein. Woran erkennen Aktionäre, dass es sich hierbei um ein besonderes Ereignis handelt?

Bontschev: Eine außerordentliche Hauptversammlung wird immer dann einberufen, wenn ein Thema zu regeln ist, das nicht bis zur nächsten ordentlichen Jahreshauptversammlung warten kann. In diesem Fall betrifft es den Rücktritt eines Aufsichtsratsmitglieds zum Jahresende 2025. Damit entsteht eine Lücke im Kontrollgremium der Gesellschaft, die kurzfristig geschlossen werden muss.

Frage: Konkret geht es um die Nachbesetzung des Aufsichtsrats. Wie ist dieser Schritt rechtlich einzuordnen?

Bontschev: Der Rücktritt von Herrn David Guthier führt dazu, dass der Aufsichtsrat nicht mehr vollständig besetzt ist. Nach dem Aktiengesetz – insbesondere § 104 AktG – muss die Gesellschaft gewährleisten, dass der Aufsichtsrat handlungsfähig bleibt. Daher schlägt das Gremium der Hauptversammlung vor, Frau Julia-Caterina May als neues Aufsichtsratsmitglied zu wählen.

Ihre berufliche Position als Syndikusrechtsanwältin eines regionalen Energieunternehmens deutet darauf hin, dass sie fachlich erfahren ist und regionale Strukturen kennt – beides ist für die Kontrolle einer kommunal geprägten Wohnungsbaugesellschaft wichtig.

Frage: Welche Rolle spielt die Hauptversammlung bei dieser Entscheidung?

Bontschev: Die Hauptversammlung besitzt das Wahlrecht für Aufsichtsratsmitglieder, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht. Aktionäre können also über die vorgeschlagene Kandidatin abstimmen. Da es sich um eine Ergänzungswahl handelt, wird die Amtszeit von Frau May – falls sie gewählt wird – nicht neu beginnen, sondern bis zu dem Zeitpunkt laufen, an dem auch die übrigen Mandate enden, nämlich bis zur Entlastung des Geschäftsjahres 2026.

Frage: In der Einladung wird auch auf die Möglichkeit hingewiesen, sich vertreten zu lassen. Ist das üblich?

Bontschev: Ja, das ist vollkommen üblich und gesetzlich geregelt. Aktionäre können ihr Stimmrecht selbst ausüben oder einen Bevollmächtigten, zum Beispiel einen Rechtsanwalt oder eine Aktionärsvereinigung, damit beauftragen. Wichtig ist, dass der Aktionär im Aktienregister eingetragen ist. Hier handelt es sich um eine vinkulierte Namensaktie, was die Stimmrechtsausübung klar strukturiert.

Frage: Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Anträge nach §§ 126 und 127 AktG an die Gesellschaft zu richten sind. Was bedeutet das für Anleger?

Bontschev: Diese Vorschriften erlauben Aktionären, Gegenanträge zu Beschlussvorschlägen oder Wahlvorschläge einzureichen. Das können beispielsweise alternative Kandidaten für den Aufsichtsrat sein oder inhaltliche Einwände gegen die vorgeschlagene Besetzung. Diese Rechte sind ein wesentlicher Bestandteil der Aktionärsdemokratie.

Die GAG benennt korrekterweise die Adresse, per Post, Fax und E-Mail, an die solche Anträge fristgerecht eingereicht werden müssen.

Frage: Was raten Sie Kleinaktionären im Hinblick auf diese außerordentliche Hauptversammlung?

Bontschev: Gerade in kommunal geprägten Wohnungsbaugesellschaften wie der GAG ist es wichtig, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Blick zu behalten, da dieser maßgeblich über Kontrolle, strategische Ausrichtung und wichtige Investitionsentscheidungen wacht. Kleinaktionäre sollten daher prüfen, ob der Wahlvorschlag ihren Erwartungen entspricht.

Wenn sie nicht persönlich teilnehmen können, empfehle ich, das Stimmrecht dennoch auszuüben – entweder über einen Bevollmächtigten oder eine Aktionärsvereinigung.

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