Redaktion: Herr Reime, auf der Plattform Mintos werden Kreditinvestitionen mit bis zu 11 % Rendite beworben. Klingt nach einer echten Alternative zum Tagesgeld. Was sagen Sie dazu?
RA Jens Reime: Das Angebot klingt auf den ersten Blick attraktiv – keine Frage. Aber man muss sich klarmachen, worum es hier geht: Anleger investieren in Schuldverschreibungen, die an Kreditforderungen gekoppelt sind. Das ist ein spekulatives Investment mit einem signifikanten Risiko bis hin zum Totalverlust.
Redaktion: Mintos spricht von einer Lizenz der lettischen Zentralbank und verweist auf Anlegerschutz. Das schafft doch Vertrauen, oder?
RA Jens Reime: Die Regulierung mag für eine gewisse rechtliche Grundstruktur sorgen, aber sie schützt nicht vor den Risiken der Anlage selbst. Der sogenannte „Anlegerschutz“ bezieht sich hier auf die Verwahrung der Gelder – nicht auf Verluste aus ausgefallenen Krediten. Und 20.000 Euro Entschädigung im Insolvenzfall von Mintos nützen Anlegern wenig, wenn der Kreditnehmer in Albanien oder Moldawien nicht mehr zahlt.
Redaktion: Mintos wirbt auch mit Diversifikation und automatisierten Strategien. Kann das helfen, Verluste zu minimieren?
RA Jens Reime: Diversifikation reduziert Risiken – das stimmt grundsätzlich. Aber: Wenn eine Wirtschaftskrise ausbricht, kann ein ganzer Markt kippen, etwa wenn viele Kreditnehmer gleichzeitig ausfallen. Und automatisierte Strategien investieren ebenfalls in diese Märkte. Der Effekt: Verluste können sich akkumulieren, ohne dass der Anleger es rechtzeitig merkt.
Redaktion: Und wie ist die rechtliche Lage bei Kreditausfällen?
RA Jens Reime: Anleger kaufen faktisch Forderungen. Wird ein Kredit nicht zurückgezahlt, haben sie keinen direkten Anspruch gegenüber dem Kreditnehmer, sondern sind auf die Durchsetzung durch Mintos bzw. die jeweiligen Kreditgeber angewiesen. Das kann im Einzelfall sehr schwierig sein – besonders im internationalen Kontext mit unterschiedlichen Rechtssystemen.
Redaktion: Was sagen Sie zu den sehr hohen Renditeversprechen von über 11 %, in Einzelfällen sogar über 38 %?
RA Jens Reime: Solche Zahlen sollten Anleger immer mit äußerster Vorsicht betrachten. Hohe Renditen bedeuten immer hohes Risiko. Eine zweistellige Verzinsung ist realistisch nur dann möglich, wenn der Kreditnehmer als sehr unsicher gilt – das heißt: hohe Ausfallwahrscheinlichkeit. Solche Modelle ähneln in gewisser Weise einem Hochrisiko-Kreditfonds.
Redaktion: Also lieber die Finger weg?
RA Jens Reime: Wer bereit ist, einen Totalverlust zu akzeptieren, kann einen kleinen Teil seines Kapitals in solche Modelle stecken. Aber keinesfalls sollte man Geld investieren, das man nicht verlieren darf – und schon gar nicht in dem Glauben, hier ein „sicheres, passives Einkommen“ aufzubauen. Mintos ist ein Finanzprodukt für erfahrene, risikoaffine Anleger – und nicht für sicherheitsorientierte Sparer.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre offenen Worte.
RA Jens Reime: Sehr gern. Vorsicht ist besser als Reue.
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