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„Impact ist kein Freibrief – auch nachhaltige Immobilien bleiben Kapitalanlagen mit Risiken“

ghasoub (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev, Dresden

Frage:
Frau Bontschev, die ERL Immobiliengruppe bewirbt ihre Projekte als „Impact Investing mit Sinn“, mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Mehrwerten. Wie bewerten Sie diesen Ansatz grundsätzlich?

Bontschev:
Der Ansatz ist nachvollziehbar und trifft einen Zeitgeist. Nachhaltigkeit, Seniorenwohnen und Pflegeimmobilien sind gesellschaftlich relevante Themen. Juristisch gilt aber: Auch eine sinnstiftende Kapitalanlage bleibt eine Kapitalanlage – mit Chancen, aber eben auch mit wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken. Der Begriff „Impact“ hat keine eigene rechtliche Schutzwirkung für Anleger.

Frage:
ERL verweist auf KfW-40-QNG-Standards, DGNB-Mitgliedschaft und EcoZert. Sind solche Zertifikate aus Anlegersicht ein Sicherheitsmerkmal?

Bontschev:
Sie sind ein Qualitäts- und Nachhaltigkeitshinweis, aber keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg. Zertifikate betreffen Bauweise, Energieeffizienz oder ökologische Standards – nicht jedoch Mietauslastung, Betreiberbonität, Pflegekosten, politische Eingriffe oder die langfristige Rentabilität. Anleger sollten das sauber trennen.

Frage:
Besonders hervorgehoben wird das „Betreute Wohnen Plus“ mit eigenem Pflegedienst. Klingt nach Rundum-Sicherheit?

Bontschev:
Das klingt komfortabel, ist rechtlich aber komplex. Sobald Pflegeleistungen eine Rolle spielen, greifen Pflege-, Sozial-, Miet- und Heimrecht ineinander. Anleger sollten genau prüfen:

  • Wer ist Betreiber?

  • Wer trägt das wirtschaftliche Risiko bei Auslastungsproblemen?

  • Wie stabil ist der Pflegedienst langfristig?

Pflegeimmobilien sind kein Selbstläufer, sondern stark reguliert und politisch sensibel.

Frage:
ERL wirbt mit Bonitätszertifikat (CrefoZert) und transparenter Unternehmensstruktur. Wie belastbar ist das?

Bontschev:
Ein Bonitätszertifikat ist eine Momentaufnahme, kein Zukunftsversprechen. Es ersetzt keine Prüfung der Projektgesellschaft, der Miet- bzw. Pachtverträge oder der Finanzierungsstruktur. Gerade bei Immobilienprojekten ist entscheidend, wo genau der Anleger investiert – in die Muttergesellschaft, eine Objektgesellschaft oder über ein Sonderkonstrukt.

Frage:
Ein besonderer Anreiz ist das „bevorzugte Belegungsrecht“ für Angehörige. Wie sehen Sie das juristisch?

Bontschev:
Das ist emotional verständlich, aber rechtlich heikel. Anleger sollten genau prüfen,

  • ob dieses Recht vertraglich einklagbar ist,

  • unter welchen Voraussetzungen es gilt

  • und ob es tatsächlich garantiert werden kann.

Im Ernstfall kollidieren solche Zusagen schnell mit Pflegekapazitäten, Wartelisten oder sozialrechtlichen Vorgaben.

Frage:
Viele Aussagen klingen sehr positiv: sichere Renditen, geringe Risiken, gesellschaftlicher Mehrwert. Wo sollten Anleger besonders kritisch hinschauen?

Bontschev:
Bei drei Punkten:

  1. Renditeversprechen – sie sind immer Prognosen, keine Zusagen.

  2. Langfristige Bindung – Immobilien sind illiquide.

  3. Haftungs- und Exitfragen – wie komme ich im Problemfall wieder heraus?

Impact Investing ist kein Schutzschild gegen Marktveränderungen, Pflegekostenexplosion, politische Eingriffe oder Betreiberprobleme.

Frage:
Ihr Fazit für Privatanleger?

Bontschev:
Nachhaltige Immobilien können ein sinnvoller Baustein sein – aber nur bei nüchterner Prüfung. Wer investiert, sollte nicht dem „guten Gefühl“ folgen, sondern Verträge, Risiken und wirtschaftliche Abhängigkeiten verstehen. Soziale Wirkung ersetzt keine rechtliche Absicherung.

 

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