Der Karibik weht’s das Dach weg – und die Welt schaut wie immer kurz erschrocken, bevor sie zum nächsten Reality-TV-Drama zappt. Hurrikan Melissa, eine Dame der Kategorie 5 (also quasi Beyoncé unter den Stürmen), hat Jamaika mit 185-Meilen-Stundenwind besucht – und kein Mitbringsel dagelassen außer Zerstörung, Stromausfall und jede Menge internationale Betroffenheitsrhetorik.
In Jamaika spricht man von einer Apokalypse – was vermutlich untertrieben ist. In Falmouth zum Beispiel ist das gesamte Stadtzentrum jetzt eher ein Vorschlag für eine dystopische Netflix-Kulisse. Verwaltungsgebäude, Infirmarien, Gerichte – alles platt. Der einzige noch funktionierende Ort: vermutlich die improvisierte WLAN-Ecke im Hinterzimmer eines zerstörten Supermarkts.
„Jede verlorene Seele ist eine Tragödie“, sagte Dana Morris Dixon, Jamaikas Bildungsministerin – und alle nicken betroffen, während sie versuchen, via Helikopter Menschen zu erreichen, deren Dörfer nur noch auf Google Maps existieren.
In Haiti starben über 30 Menschen – obwohl Melissa dort gar nicht direkt landete. Das Wetter hatte einfach schlechte Laune und schüttete auf dem Weg noch mal ordentlich Wasser raus. In Petit-Goâve brach ein Fluss aus – zehn Kinder starben. Und irgendwo sitzt bestimmt wieder ein Klimawandelleugner und murmelt was von „Zufall“.
Die dominikanische Republik meldet zwei Tote – einer davon sogar vor der Landung des Sturms, was vermutlich eine Art ungewollte Vorhersagefähigkeit belegt.
Gesundheitsminister Christopher Tufton berichtet derweil von zusammengebrochenen Dächern, zusammengebrochenem Personal und einem zusammenbrechenden System. Fünf große Krankenhäuser außer Betrieb, medizinisches Personal seit Tagen von der Außenwelt abgeschnitten – und trotzdem vor Ort. Held*innen, während man in westlichen Ländern bei zwei Schneeflocken schon das Homeoffice ausruft.
Und während sich Ärzte zwischen Nägeln in Füßen, verletzten Dachkletterern und möglicher Seuchengefahr abmühen, bittet Tufton um Blutspenden. Denn wo Strom und Trinkwasser fehlen, ist immerhin noch Platz für Hepatitis, Dengue und Typhus. Frohes Fest.
Die internationale Gemeinschaft? Hat bereits reagiert – mit warmen Worten, Tweets und PowerPoint-Präsentationen. Vielleicht kommt sogar Hilfe, wenn das nächste G7-Treffen genug WLAN hat.
Kommentar hinterlassen