Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev, Dresden, zu Reedereibeteiligungen und Private Placements
Frage:
Frau Bontschev, Anbieter wie die Menke FinanzCoach GmbH werben mit Reedereibeteiligungen als „strategische Kapitalanlage in reale Werte“. Klingt das für Sie zunächst seriös?
Bontschev:
Grundsätzlich ja – zumindest auf der sprachlichen Ebene. Reale Sachwerte wie Schiffe sind für viele Anleger nachvollziehbarer als rein digitale Finanzprodukte. Allerdings ist entscheidend, wie diese Beteiligungen rechtlich und wirtschaftlich ausgestaltet sind. Begriffe wie „Substanz“, „Weitblick“ oder „unternehmerische Chance“ ersetzen keine transparente Risikoaufklärung.
Frage:
Die Beteiligungen werden ausdrücklich nicht als öffentliches Angebot beworben, sondern als Private Placement. Was bedeutet das für Anleger?
Bontschev:
Das ist ein ganz zentraler Punkt. Private Placements unterliegen nicht der klassischen Prospektpflicht, was bedeutet: weniger staatliche Kontrolle, weniger formale Prüfungen und damit ein höheres Eigenrisiko für Anleger. Wer hier investiert, kann sich später nicht darauf berufen, dass ein Verkaufsprospekt fehlerhaft war – wenn es keinen gibt oder nur ein Investment Memorandum.
Frage:
Der Anbieter betont Transparenz, Co-Investments der Reedereien und fehlende Interessenkonflikte. Reicht das als Sicherheit?
Bontschev:
Das sind positive Aussagen – aber zunächst nur Behauptungen, die überprüft werden müssen. Entscheidend ist, was vertraglich geregelt ist:
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Wer trägt welches Risiko?
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Gibt es Nachschusspflichten?
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Wie ist der Exit geregelt?
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Wer kontrolliert die Mittelverwendung?
Auch Co-Investments schützen nicht automatisch vor Verlusten. Die Schiffsfonds-Vergangenheit hat gezeigt, dass selbst professionell beteiligte Reeder erhebliche Fehleinschätzungen treffen können.
Frage:
Es wird von antizyklischem Investieren und günstigen Markteintrittsphasen gesprochen. Wie bewerten Sie das?
Bontschev:
Antizyklisches Investieren ist ein anerkanntes Konzept, aber kein Garant für Rendite. Gerade im Schifffahrtsbereich hängen Erträge von globalen Faktoren ab: Frachtraten, Geopolitik, Energiepreise, Umweltauflagen. Für Privatanleger ist kaum nachvollziehbar, ob der Einstieg wirklich „unter dem realwirtschaftlichen Wert“ erfolgt oder ob das nur Marketing ist.
Frage:
Welche rechtlichen Risiken sehen Sie speziell für Privatanleger?
Bontschev:
Mehrere:
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Totalverlustrisiko, das auch ausdrücklich erwähnt wird – und ernst genommen werden muss.
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Geringe Liquidität: Beteiligungen lassen sich meist nicht kurzfristig verkaufen.
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Informationsasymmetrie: Anleger sind auf Angaben des Anbieters angewiesen.
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Haftungsfragen: Bei Private Placements ist die Durchsetzung von Ansprüchen oft schwierig, insbesondere wenn Beratungsdokumentationen lückenhaft sind.
Frage:
Was raten Sie interessierten Anlegern konkret?
Bontschev:
Ich rate dringend dazu,
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alle Vertragsunterlagen extern prüfen zu lassen,
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das Investment Memorandum vollständig zu lesen,
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sich nicht von emotionaler Sprache oder Renditefantasien leiten zu lassen,
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und nur Kapital einzusetzen, dessen Verlust verkraftbar wäre.
Wer unternehmerisch investieren will, muss auch unternehmerische Risiken tragen – ohne Rückgriff auf klassische Anlegerschutzmechanismen.
Frage:
Ihr Fazit in einem Satz?
Bontschev:
Reedereibeteiligungen können für erfahrene, vermögende Anleger interessant sein – für Privatanleger ohne juristische und wirtschaftliche Prüfung sind sie jedoch alles andere als ein Selbstläufer.
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