Die jahrzehntelange Gewissheit, dass die USA Europas Sicherheit garantieren, gerät ins Wanken. Angesichts schwindender amerikanischer Unterstützung stehen europäische Staaten unter Druck, ihre Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen. Das freut vor allem die europäische Rüstungsindustrie: Aktien von Rüstungskonzernen sind auf Rekordhöhen gestiegen.
USA verhandeln mit Russland – Europa bleibt außen vor
Die USA haben diese Woche erstmals direkte Gespräche mit Russland geführt, um einen möglichen Friedensschluss im Ukraine-Krieg auszuloten – ohne Kiew oder europäische Verbündete einzubeziehen. Dies hat in Europa für Entsetzen gesorgt, da die EU und Großbritannien seit 2022 mehr als 160 Milliarden US-Dollar an Hilfen und Waffenlieferungen für die Ukraine bereitgestellt haben.
Die Botschaft aus Washington ist klar: Europa muss selbst Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärte vergangene Woche:
„Die Vereinigten Staaten werden keine unausgewogene Beziehung mehr tolerieren, die Abhängigkeit fördert.“
Diese Worte fielen bei einem Treffen mit über 50 Staaten, die Waffenlieferungen an die Ukraine koordinieren. Die US-Regierung macht deutlich, dass Europa seine Verteidigung selbst in die Hand nehmen muss.
Rüstungsaktien auf Rekordniveau
Die Unsicherheit über die zukünftige Sicherheitslage hat die Aktienkurse europäischer Rüstungsunternehmen in die Höhe getrieben:
- Der STOXX Europe Aerospace & Defense Index erreichte am Dienstag ein Allzeithoch und ist seit Jahresbeginn um 14 % gestiegen.
- Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges im Jahr 2022 hat der Index 127 % zugelegt.
- Die Aktien des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall stiegen allein in dieser Woche um 9 %, während die französische Thales-Gruppe um fast 10 % und der italienische Rüstungskonzern Leonardo um über 11 % zulegten.
Analysten sehen weiteres Wachstumspotenzial: Investoren setzen auf steigende Verteidigungsausgaben, vor allem wenn europäische Staaten ihr Militärbudget massiv aufstocken.
Steigende Militärausgaben – aber mit Strategie
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte kürzlich eine „Verteidigungsausgaben-Offensive“ und schlug vor, Rüstungsinvestitionen von den strengen EU-Defizitregeln auszunehmen.
Doch Experten warnen, dass höhere Verteidigungsausgaben allein nicht ausreichen. Roberto Cingolani, CEO des Rüstungskonzerns Leonardo, betonte die Notwendigkeit einer koordinierten europäischen Strategie:
„Alle großen Länder in Europa entwickeln eigene Flugzeuge, eigene Panzer, eigene Schiffe – das muss sich ändern.“
Langfristig könnte Europa von stärkeren industriellen Allianzen profitieren, um nicht nur mehr, sondern auch effektiver in Rüstungstechnologien zu investieren.
Fazit: Europas Weckruf in der Verteidigungspolitik
Die Zeiten, in denen Europa sich auf den Schutz der USA verlassen konnte, sind vorbei. Washington setzt auf eine Neuausrichtung der transatlantischen Beziehungen – mit Europa als eigenständigem sicherheitspolitischen Akteur.
Für europäische Rüstungskonzerne ist dies ein goldenes Zeitalter. Doch für Europa insgesamt bedeutet es eine historische Zäsur, die langfristig eine tiefgreifende militärische und geopolitische Neuausrichtung erfordert.
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