Tausende Pfund für nicht gelieferten Strom: In Großbritannien sorgt eine paradoxe Praxis für steigende Strompreise – und zunehmend politische Spannungen. Offshore-Windparks wie Moray East und Seagreen in Schottland werden regelmäßig dafür bezahlt, ihre Produktion herunterzufahren. Grund: Das britische Stromnetz kann die Energie wegen begrenzter Übertragungskapazitäten nicht dorthin transportieren, wo sie gebraucht wird – etwa in die Ballungsräume im Süden.
Allein der Seagreen-Windpark wurde im letzten Jahr mit rund 65 Millionen Pfund für Stillstand entschädigt – über 70 % seiner Zeit produzierte er keinen Strom für das Netz. Gleichzeitig werden fossile Kraftwerke im Süden des Landes dafür bezahlt, mehr Strom zu liefern – trotz voller Windkraftleistung im Norden.
Diese als „Redispatch“ bekannte Netzstabilisierung hat Großbritannien allein im Jahr 2025 bislang über 500 Millionen Pfund gekostet. Tendenz steigend: Bis 2030 könnten laut National Electricity System Operator (NESO) bis zu 8 Milliarden Pfund jährlich fällig werden – Kosten, die auf die Verbraucher abgewälzt werden.
Lösung in Sicht? Regierung prüft radikalen Umbau des Strommarkts
Energie- und Klimaminister Ed Miliband steht nun unter Druck: Sein Versprechen, bis 2030 95 % des britischen Stroms aus erneuerbaren Quellen zu liefern und gleichzeitig die Stromrechnung um 300 Pfund jährlich zu senken, droht zu scheitern.
Die Regierung prüft daher eine tiefgreifende Reform: Statt eines landesweiten Strompreises soll es regionale Strommärkte geben – sogenannte „zonal pricing“. In windreichen Regionen wie Schottland könnte Strom so deutlich günstiger werden, vielleicht sogar kostenlos an stürmischen Tagen. Investitionen in die Nähe von Stromquellen sollen außerdem Industriebetriebe anlocken und das Netz entlasten.
Heftiger Widerstand aus der Branche
Doch große Energieunternehmen wie RWE warnen: Die Reform gefährde Milliardeninvestitionen in Wind- und Solarprojekte. Unsichere Einnahmen durch regionale Preisunterschiede könnten Finanzierungskosten erhöhen und neue Projekte unwirtschaftlich machen.
Auch Ökonomen wie Stephen Woodhouse warnen, dass höhere Zinsen und teure Rohstoffe ohnehin schon viele grüne Projekte gefährden – die geplante Windfarm vor Yorkshire wurde bereits abgesagt.
Und das staatliche Stromnetzunternehmen National Grid investiert bereits 60 Milliarden Pfund in neue Stromleitungen – was die Vorteile von Regionalmärkten möglicherweise bald überholt.
Entscheidung in Kürze – mit Folgen für ganz Europa?
Noch ist nichts entschieden, doch der Druck steigt. Energiemarkt-Experten, Investoren und politische Gegner beobachten die Entwicklungen in Großbritannien genau. Denn der Streit um „Net Zero“ ist längst zu einem Wahlkampfthema geworden – nicht nur für Reform UK, sondern auch für Europas Energiepolitik.
Egal wie die Entscheidung ausfällt: Sie könnte die Richtung der britischen Energiewende und den Strommarkt der Zukunft maßgeblich beeinflussen.
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