Ein interner Machtkampf erschüttert den Kult-Eiscremehersteller Ben & Jerry’s – so sehr, dass Mitgründer Ben Cohen nun öffentlich davor warnt, die Marke könne „zerstört werden“, wenn sie unter dem neuen Mutterkonzern Magnum Ice Cream Company (TMICC) verbleibt. Gegenüber der BBC machte Cohen deutlich, dass Ben & Jerry’s unter der neuen Konzernführung seine Unabhängigkeit und seine sozialpolitische Stimme zu verlieren drohe, die seit Jahrzehnten ein zentrales Identitätsmerkmal der Marke sei.
Markenkonflikt eskaliert – neuer Mutterkonzern will Einfluss stärken
Die Aussagen Cohens fallen ausgerechnet an dem Tag, an dem TMICC – ausgegliedert aus Unilever – erstmals an der europäischen Börse gehandelt wird.
Magnum betont, man wolle Ben & Jerry’s „wertorientierte, nicht-parteiliche Position in der Welt stärken“. Doch Cohen widerspricht: Das Gegenteil sei der Fall.
Die Auseinandersetzung ist nicht neu. Bereits seit dem Verkauf von Ben & Jerry’s an Unilever im Jahr 2000 gibt es einen grundsätzlichen Konflikt:
Ben & Jerry’s wurde damals ein unabhängiger Vorstand zugesichert, der selbst über die soziale Mission und politische Kommunikation entscheiden darf. Doch diese Unabhängigkeit gerät zunehmend ins Wanken.
Streit um soziale Positionierung und politische Botschaften
Ben & Jerry’s ist international dafür bekannt, gesellschaftspolitisch klare Positionen zu beziehen. Genau das sorgt seit Jahren für Streit mit den Mutterkonzernen.
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2021 entschied die Marke, ihre Produkte nicht mehr in israelisch besetzten Gebieten zu verkaufen. Unilever umging diese Entscheidung später, indem es das israelische Geschäft an einen lokalen Lizenznehmer verkaufte.
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2023/2024 wollte Ben Cohen ein Eis herausbringen, das „Solidarität mit Palästina“ ausdrückt – ein Vorhaben, das nach seinen Angaben blockiert wurde.
Cohen sieht in diesen Eingriffen einen klaren Verstoß gegen das, was die Marke seit jeher ausmacht: politische Haltung und Aktivismus.
Magnum gegen Ben-&-Jerry’s-Vorstand: Streit um Vorsitzende eskaliert
Der neue Mutterkonzern wirft zusätzlich einen Schatten auf die Governance-Struktur:
Kurz vor der Abspaltung von Unilever erklärte Magnum, die langjährige Vorsitzende des Ben-&-Jerry’s-Vorstands, Anuradha Mittal, erfülle angeblich nicht mehr die Anforderungen für die Position.
Begründet wurde dies mit einem internen Audit, das „wesentliche Mängel bei finanziellen Kontrollen, Governance und Compliance“ festgestellt haben soll.
Mittal weist die Vorwürfe strikt zurück.
Sie erklärte gegenüber Reuters:
„Das angebliche Audit ist eine konstruierte Untersuchung – angelegt, um mich zu diskreditieren.
Es ist ein Versuch Unilevers, die Autorität des unabhängigen Boards zu untergraben.“
Cohen stellt sich klar auf die Seite des Boards. TMICC habe „keinerlei Legitimation“, über dessen Zusammensetzung zu entscheiden.
Mitgründer fordert radikale Lösung: Eigentümerwechsel oder Strategiewende
Ben Cohen sieht nur zwei Wege, um die Marke zu retten:
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Ben & Jerry’s müsse an Investoren verkauft werden, die die sozialen Werte unterstützen.
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Oder Magnum müsse eine komplette Kehrtwende machen und den unabhängigen Vorstand wieder vollständig anerkennen.
Andernfalls drohe Ben & Jerry’s seine Identität zu verlieren – und damit die Grundlage seines globalen Erfolgs.
Wie geht es weiter?
Ben & Jerry’s selbst hat auf die neuesten Entwicklungen bislang nicht öffentlich reagiert.
Vorstandsleiterin Mittal kündigte an, trotz der Angriffe nicht zurückzutreten.
Der Konflikt zwischen Markenidentität und Konzerninteressen spitzt sich damit weiter zu – und die Zukunft der berühmten Eiscreme-Marke hängt davon ab, ob Autonomie oder Kontrolle am Ende das Rennen macht.
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